Chinas Staatschef Xi Jinping hat den französischen Präsidenten Emmanuel Macron und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Paris getroffen. Nach diesem Besuch reist er weiter nach Serbien und Ungarn. Das Verhältnis zwischen der EU und China hat zuletzt gelitten, etwa, weil sich China aufgrund des Ukraine-Kriegs nicht von Russland distanziert. China-Experte Johann Fuhrmann analysiert die Lage.
SRF News: Ist der Europa-Besuch von Xi eine Art Charmeoffensive?
Johann Fuhrmann: Ich wäre damit vorsichtig. In wirtschaftlicher Hinsicht ist es das auf jeden Fall. Wir haben hier in China eine sehr hohe Jugendarbeitslosigkeit. Es ist eine Herausforderung, Arbeitsplätze zu schaffen. Dieses Thema ist sicherlich eines, das Xi Jinping und die chinesische Führung umtreibt. Und da buhlt man um Investitionen aus dem Ausland.
Die Chinesen versuchen, die unterschiedlichen europäischen Interessen gegeneinander auszuspielen.
Und auf politischer Ebene?
Auf politischer Ebene gibt es Differenzen. Xi weiss natürlich, dass es diese Differenzen auch innerhalb Europas gibt. Die Chinesen versuchen, die unterschiedlichen europäischen Interessen gegeneinander auszuspielen.
Es ist also eher das Gegenteil einer Charmeoffensive, mit der Absicht, Europa auseinanderzudividieren.
Ich glaube, dass dieser Besuch aus chinesischer Perspektive auch ein Stück weit nach innen gerichtet ist. Xi wird diese Reise auch nutzen, um den Chinesen zu zeigen, dass er und China Freunde in der Welt haben.
Die Chinesen verstehen nicht, warum uns der Ukraine-Krieg so berührt. Die Entfernung zwischen Berlin und Kiew ist ungefähr die gleiche wie zwischen Peking und Shanghai.
Differenzen gibt es einige zwischen Europa und China. Europa wäre insbesondere interessiert daran, dass sich China von Russland löst und den russischen Krieg gegen die Ukraine verurteilt. Zeigt China irgendein Interesse, seine Aussenpolitik zu verändern?
Ich glaube nicht. Aber ich denke, was wir oft gegenseitig nicht sehen, ist der Fakt der Geografie. Die Chinesen verstehen nicht, warum uns dieser Krieg so berührt. Die Entfernung zwischen Berlin und Kiew ist ungefähr die gleiche wie zwischen Peking und Shanghai.
Und wir verstehen nicht, dass es aus chinesischer Sicht strategisch betrachtet geopolitisch eine Katastrophe wäre, wenn man nach einer Ära Putin ein irgendwie demokratisch oder proamerikanisches Russland direkt an der Grenze hätte. Die teilen sich fast 4000 Kilometer Grenze. China kann mit dem Status quo sehr gut leben. Man bezieht sehr günstig Energie. Man ist in Märkte vorgedrungen und hat die quasi übernommen, etwa den Automobilmarkt, den die EU durch die Sanktionen nicht mehr füllen konnte. Es besteht kein Interesse, daran zu rütteln.
Dabei hätte Europa durchaus Möglichkeiten, Druck auszuüben. China ist sowohl auf die europäischen Absatzmärkte als auch auf Investitionen aus Europa angewiesen.
Dem ist ganz klar so, aber man müsste in Europa noch verstärkter mit einer Stimme sprechen. Wenn es schon zwischen Berlin und Paris nicht klappt, dann kann man nicht erwarten, dass es in Brüssel funktioniert. Das haben die Chinesen sehr gut verstanden.
Die Beziehungen zwischen Europa und China sind angespannt bei geopolitischen und wirtschaftlichen Fragen. Wird Xi Jinpings Europareise daran etwas ändern?
Meine Vermutung ist, dass sich daran wenig ändern wird. Ich glaube, es ist gut, dass man im Gespräch bleibt. Xi Jinping hat die EU seit fünf Jahren nicht mehr besucht. Europa war damals ein anderes. Und deswegen ist es wichtig, dass jetzt die Gesprächsfäden wieder aufgenommen werden. Aus europäischer Sicht kann das Ganze eben nur Erfolg haben, wenn man sich zusammentut und guckt, wo gemeinsame Interessen liegen.
Das Gespräch führte Iwan Liebherr.