Die erste Auslandsreise seit Ausbruch der Corona-Pandemie Anfang 2020 führt Chinas starken Mann Xi Jinping nach Kasachstan, das als Rohstofflieferant und Transitland für die neue Seidenstrasse für Peking wichtig ist.
Wie der kasachische Präsident Kassym-Schomart Tokajew sei auch Peking daran interessiert, neue Unruhen in der Bevölkerung zu verhindern, sagt die Journalistin Edda Schlager, die in der südkasachischen Stadt Almaty lebt.
SRF News: Was bedeutet der Besuch Xis in Nur-Sultan für Kasachstan?
Edda Schlager: In Kasachstan wird dieses Zeichen sehr positiv aufgenommen. China ist neben Russland einer der wichtigsten Partner für Kasachstan. Allerdings orientiert sich das zentralasiatische Land inzwischen auch in Richtung andere Länder wie die Türkei, Iran, Pakistan oder Indien.
Was macht Kasachstan so interessant für Peking?
Aus China stammen am zweitmeisten Importe, nach Russland. Zudem ist China das wichtigste Exportland für Kasachstan – vor allem wegen des Erdöls und des Erdgases.
China ist an vielen kasachischen Erdöl- und Gasförderfirmen sowie an Raffinerien beteiligt.
Ausserdem verlaufen die wichtigsten Gas-Pipelines von Turkmenistan nach China durch Kasachstan – und Turkmenistan ist das wichtigste Gaslieferland für China. China ist inzwischen an vielen kasachischen Erdöl- und Gasförderfirmen sowie an Raffinerien beteiligt.
Wie hat Kasachstan von den Milliardeninvestitionen aus China profitiert?
Es wurden viele Bahnlinien und Strassen ausgebaut, inzwischen gibt es zahlreiche Autobahnstrecken. Auch hat China in Kasachstan an der Grenze einen grossen Umschlagplatz für Güter gebaut. Von diesen Logistik-Projekten profitiert Kasachstan auch als Transitland der Güter zwischen Ost und West und umgekehrt.
Anfang Jahr gab es Proteste in Kasachstan, auch wegen gestiegener Benzinpreise. Peking reagiert darauf verschnupft. Wieso das?
China ist wirtschaftlich mit vielen Milliarden Dollar in dem Land engagiert und hat deshalb grosses Interesse an einem stabilen Kasachstan. Trotzdem stand ein direktes Eingreifen Pekings wohl nicht zur Diskussion.
China ist daran interessiert, dass seine Investitionen gesichtert bleiben.
China verfolgt in Zentralasien wirtschaftliche Interessen und will sich sicherheitspolitisch eigentlich nicht engagieren – auch wenn sich das möglicherweise etwas weiter südlich in Afghanistan und Pakistan gerade etwas ändert. In Kasachstan ist Peking vor allem daran interessiert, dass die chinesischen Investitionen gesichert sind.
Kasachstan war früher eine sowjetische Republik, seit dem russischen Einmarsch in der Ukraine haben sich die Beziehungen zu Moskau aber etwas abgekühlt. Setzt Kasachstan deshalb jetzt verstärkt auf den anderen grossen Nachbar, China?
Nein, denn für Kasachstan gibt es nicht ein Entweder-oder. Man setzt auf eine Multivektor-Politik und strebt ausgewogene Beziehungen mit verschiedenen Partnern an. Klar ist aber auch, dass eine Distanzierung gegenüber Russland festzustellen ist. Das hat auch innenpolitische Gründe: Viele Kasachinnen und Kasachen sind Moskau gegenüber zunehmend skeptisch – nach mehr als 30 Jahren Unabhängigkeit.
Viele Kasachinnen und Kasachen sind Moskau gegenüber zunehmend skeptisch.
Kasachstans Präsident Tokajew versucht deshalb, die Balance zu halten und keine neuen Unruhen in der Bevölkerung zu provozieren. Deshalb seine Bemühungen, sich etwas von Russland zu emanzipieren. Doch eine Bevorzugung Chinas bedeutet das keineswegs. Kasachstan versucht viel mehr, mit allen Partnerländern auf gleicher Augenhöhe gleich umzugehen.
Das Gespräch führte Rino Curti.