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Zwei Jahre Krieg Auf der Suche nach Vermissten im Sudan

Immer wieder bricht der Kontakt zu Menschen im Sudan ab. Das Rote Kreuz versucht, sie zu finden – auch mit digitaler Hilfe.

Darum geht es: Zwei Jahre nach Ausbruch des Krieges im Sudan ist eine Waffenruhe oder gar Frieden in weiter Ferne. Millionen Menschen mussten vor den Kämpfen fliehen. Immer wieder passiert es, dass auf der Flucht Familien getrennt werden oder der Kontakt zu Angehörigen im Ausland abreisst. Der Suchdienst des Roten Kreuzes hilft den Betroffenen dabei, ihre vermissten Angehörigen zu suchen.

Situation im Sudan

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Seit April 2023 tobt im Sudan ein brutaler Krieg zwischen der regulären Armee und den paramilitärischen Rapid Support Forces. Laut Angaben des UNHCR hat der Konflikt fast 13 Millionen zur Flucht gezwungen.

Eine unabhängige Expertengruppe untersuchte im Auftrag der Vereinten Nationen die Menschenrechtslage im Sudan und kam zum Schluss, dass beide Konfliktparteien Kriegsverbrechen begehen. Frauen und Kinder sind laut UNO-Angaben in besonderem Masse von sexueller Gewalt betroffen. «Es ist ein Krieg, der die Körper von Frauen und Kindern als Kriegswaffe und Kriegsstrategie benutzt», sagt Hala al-Karib, Sudan-Direktorin der Frauenrechtsorganisation Siha.

Im UNO-Bericht, der im September 2024 veröffentlicht wurde, ist die Rede von Massenvergewaltigungen, Zwangsrekrutierung von Kindersoldaten, Menschenhandel und Bombardements von dicht besiedelten Wohngebieten. 24 Millionen Menschen sind gemäss dem World Food Program akut vom Hunger bedroht.

Ein Beispiel: Rahel (Name geändert) sitzt in einem Besprechungszimmer des SRK in Bern. Ihr gegenüber sitzt die Leiterin des Suchdienstes des Schweizerischen Roten Kreuzes, Nicole Windlin. Vor Jahren floh Rahel aus Eritrea ins Nachbarland Sudan und von dort aus weiter in die Schweiz. Ihre kleine Tochter musste sie im Sudan zurücklassen, auf der Flucht verlor sie den Kontakt. In der Schweiz angekommen, meldete sie sich beim Suchdienst. Mit dessen Hilfe gelang es ihr, die Tochter wiederzufinden. Während sie auf den Entscheid wartete, ob sie ihr Kind zu sich in die Schweiz holen durfte, telefonierte sie regelmässig mit ihr. Doch vor bald zwei Jahren brach der Krieg im Sudan aus. Seither besteht kein Kontakt zur 13-Jährigen. Immerhin: Der Suchdienst konnte in Erfahrung bringen, dass ihr Kind noch lebt.

Vorgehen: Bei der Suche nach Vermissten ist das weltweite Netzwerk des Roten Kreuzes entscheidend, sagt Windlin: «Wir versuchen zunächst, eine Anfrage ganz genau zu verstehen. Zu schauen, wo die Person genau ist, sofern man das überhaupt weiss. Dann schauen wir, was unser Netzwerk der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften und das Internationales Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) vor Ort für die Betroffenen tun können.» Ausserdem kämen auch digitale Suchmethoden infrage.

Sechs Porträtfotos von Personen mit Beschriftungen Bruder, Sohn, Partner-Mann.
Legende: Krieg, Flucht, Migration oder Familienkonflikte – der Suchdienst des Roten Kreuzes versucht, vermisste Menschen zu finden. Bild eines Aushangs in einem Büro des Rotes Kreuzes. SRF

Digitale Suchmethode: «Trace the Face» ist eine Webseite, die vom IKRK verwaltet wird. Das Besondere daran ist, dass nicht die Vermissten aufgeführt werden, sondern Menschen, die jemanden suchen. Auf der Webseite haben sie die Möglichkeit, ihr Foto hochzuladen und anzugeben, in welchem Verhältnis sie zur vermissten Person stehen, ob sie beispielsweise nach einem Elternteil oder einem Geschwister suchen. Meldet sich jemand mit Informationen zu den Gesuchten, oder gar die vermisste Person selbst, kann das Rote Kreuz so den Kontakt vermitteln. Windlin erzählt, dass ein solches Tool den Betroffenen helfen könne, sich aus der lähmenden Hilflosigkeit zu lösen, die viele von ihnen empfänden.

Wir brauchen Sicherheitsgarantien, um in einem Gebiet aktiv sein zu können.
Autor: Nicole Windlin Leiterin des Suchdienstes in der Schweiz

Schwierige Bedingungen: Laut Windlin ist das Gebiet, in dem sich Rahels Tochter befindet, derzeit für humanitäre Organisationen nicht zugänglich. «Wir brauchen immer die Sicherheitsgarantien beider Konfliktparteien, um in einem Gebiet aktiv sein zu können. Ohne diese Garantien kann das Rote Kreuz nicht vor Ort gehen.» Ein Einsatz wäre sonst zu gefährlich. Deshalb sei es derzeit nicht möglich, den Kontakt wieder herzustellen.

Die Geschichte des SRK-Suchdienstes

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Frau durchsucht Aktenregal mit Ordnern.
Legende: Eine freiwillige Helferin bei der Arbeit in der Zentrale des IKRK in Genf, aufgenommen am 2. Dezember im Kriegsjahr 1943. Am Sitz des IKRK gingen täglich hunderte Briefe mit Anfragen ein. KEYSTONE/PHOTOPRESS-ARCHIV/KN

Die Geschichte des Suchdienstes reicht bis ins 19. Jahrhundert zurück. Während des Deutsch-Französischen Krieges wurde 1870 in Basel eine erste zentrale Suchstelle eingerichtet, die Soldaten und ihren Angehörigen helfen sollte.

Während des Zweiten Weltkrieges bekam die Suche nach vermissten Angehörigen eine neue Dimension. Tausende Familien wurden auf der Flucht getrennt, Soldaten gerieten in Kriegsgefangenschaft oder wurden vermisst. In der Schweiz engagierten sich zwischen 1939 und 1945 über 1000 Freiwillige bei den Bemühungen, die Familien wieder zusammenzuführen. Daraus entstand in der Nachkriegszeit der heutige Suchdienst. (Quelle: SRK)

Geduld gefragt: Die Belastung für die Angehörigen in einer solchen Situation sei kaum vorstellbar, sagt Windlin: «Man muss sich vorstellen, dass diese Familien über Jahre, über Monate einfach nicht wissen, was passiert ist. Geht es meiner Tochter gut? Ist sie in Gefahr? Wird sie gefoltert? Hat sie Hunger? Wo ist sie überhaupt? Ist sie tot?» Ein Ende des Krieges im Sudan ist derzeit nicht abzusehen. Vorerst kann Rahel nur darauf hoffen, dass sich die Lage so weit beruhigt, dass der Kontakt zu ihrer Tochter wieder hergestellt werden kann.

Tagesschau, 14.04.2025, 19:30 Uhr

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