Darum geht es: Zwei Jahre nach Ausbruch des Krieges im Sudan ist eine Waffenruhe oder gar Frieden in weiter Ferne. Millionen Menschen mussten vor den Kämpfen fliehen. Immer wieder passiert es, dass auf der Flucht Familien getrennt werden oder der Kontakt zu Angehörigen im Ausland abreisst. Der Suchdienst des Roten Kreuzes hilft den Betroffenen dabei, ihre vermissten Angehörigen zu suchen.
Ein Beispiel: Rahel (Name geändert) sitzt in einem Besprechungszimmer des SRK in Bern. Ihr gegenüber sitzt die Leiterin des Suchdienstes des Schweizerischen Roten Kreuzes, Nicole Windlin. Vor Jahren floh Rahel aus Eritrea ins Nachbarland Sudan und von dort aus weiter in die Schweiz. Ihre kleine Tochter musste sie im Sudan zurücklassen, auf der Flucht verlor sie den Kontakt. In der Schweiz angekommen, meldete sie sich beim Suchdienst. Mit dessen Hilfe gelang es ihr, die Tochter wiederzufinden. Während sie auf den Entscheid wartete, ob sie ihr Kind zu sich in die Schweiz holen durfte, telefonierte sie regelmässig mit ihr. Doch vor bald zwei Jahren brach der Krieg im Sudan aus. Seither besteht kein Kontakt zur 13-Jährigen. Immerhin: Der Suchdienst konnte in Erfahrung bringen, dass ihr Kind noch lebt.
Vorgehen: Bei der Suche nach Vermissten ist das weltweite Netzwerk des Roten Kreuzes entscheidend, sagt Windlin: «Wir versuchen zunächst, eine Anfrage ganz genau zu verstehen. Zu schauen, wo die Person genau ist, sofern man das überhaupt weiss. Dann schauen wir, was unser Netzwerk der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften und das Internationales Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) vor Ort für die Betroffenen tun können.» Ausserdem kämen auch digitale Suchmethoden infrage.
Digitale Suchmethode: «Trace the Face» ist eine Webseite, die vom IKRK verwaltet wird. Das Besondere daran ist, dass nicht die Vermissten aufgeführt werden, sondern Menschen, die jemanden suchen. Auf der Webseite haben sie die Möglichkeit, ihr Foto hochzuladen und anzugeben, in welchem Verhältnis sie zur vermissten Person stehen, ob sie beispielsweise nach einem Elternteil oder einem Geschwister suchen. Meldet sich jemand mit Informationen zu den Gesuchten, oder gar die vermisste Person selbst, kann das Rote Kreuz so den Kontakt vermitteln. Windlin erzählt, dass ein solches Tool den Betroffenen helfen könne, sich aus der lähmenden Hilflosigkeit zu lösen, die viele von ihnen empfänden.
Wir brauchen Sicherheitsgarantien, um in einem Gebiet aktiv sein zu können.
Schwierige Bedingungen: Laut Windlin ist das Gebiet, in dem sich Rahels Tochter befindet, derzeit für humanitäre Organisationen nicht zugänglich. «Wir brauchen immer die Sicherheitsgarantien beider Konfliktparteien, um in einem Gebiet aktiv sein zu können. Ohne diese Garantien kann das Rote Kreuz nicht vor Ort gehen.» Ein Einsatz wäre sonst zu gefährlich. Deshalb sei es derzeit nicht möglich, den Kontakt wieder herzustellen.
Geduld gefragt: Die Belastung für die Angehörigen in einer solchen Situation sei kaum vorstellbar, sagt Windlin: «Man muss sich vorstellen, dass diese Familien über Jahre, über Monate einfach nicht wissen, was passiert ist. Geht es meiner Tochter gut? Ist sie in Gefahr? Wird sie gefoltert? Hat sie Hunger? Wo ist sie überhaupt? Ist sie tot?» Ein Ende des Krieges im Sudan ist derzeit nicht abzusehen. Vorerst kann Rahel nur darauf hoffen, dass sich die Lage so weit beruhigt, dass der Kontakt zu ihrer Tochter wieder hergestellt werden kann.