- Hilfsorganisationen zeichnen ein düsteres Bild über die humanitäre Lage in Afghanistan, zwei Jahre nach der Machtübernahme der Taliban.
- 17 Millionen Menschen seien von Hunger bedroht. Vor allem Frauen und Mädchen leiden unter der Unterdrückung.
- UNO-Menschenrechtsbeobachter fordern nun, dass Frauen und Mädchen aus Afghanistan weltweit einen Flüchtlingsstatus bekommen sollen.
Die Situation sei «dramatisch», sagte Asien-Regionaldirektorin der Welthungerhilfe, Elke Gottschalk im ARD-Morgenmagazin. Zwar merke man, dass sich das Land nicht mehr im Krieg befinde. Jedoch seien 17 Millionen Menschen von Hunger bedroht, 29 Millionen Menschen seien auf humanitäre Hilfe angewiesen. «Das sieht man an jeder Strassenecke», sagte Gottschalk.
Die Welthungerhilfe ist nach Angaben von Gottschalk mit rund 200 nationalen und fünf internationalen Mitarbeitern in Afghanistan aktiv. Die Organisation konzentriere sich auf die Verteilung von Nahrungsmitteln und Bargeldzahlungen, weil die Märkte vor Ort funktionierten.
Neue Probleme habe das Verbot der Arbeit von Frauen für Nichtregierungsorganisationen Ende 2022 gebracht. Für die Welthungerhilfe seien aber weiter 20 Prozent Frauen tätig. Deren Tätigkeit müsse man mit den Taliban vor Ort aushandeln. Den Taliban müsse man jedes Projekt auf Distrikt- und Provinzebene vorlegen und diese genehmigen lassen. «Wir müssen mit den Taliban verhandeln», sagte Gottschalk mit Blick auf die humanitäre Hilfe.
Weltweiten Flüchtlingsstatus für Frauen
Menschenrechtsbeobachter der Vereinten Nationen fordern nun, dass Frauen und Mädchen aus Afghanistan in der ganzen Welt ein Flüchtlingsstatus bekommen sollen. Die Taliban hätten ein System der totalen Diskriminierung, Ausgrenzung und Unterdrückung eingeführt. Diese geschlechtsspezifische Verfolgung sei ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, schreiben sie in ihrem Bericht.
Die Vorstellung, dass sich die Taliban im Vergleich zu ihrer ersten Herrschaft (1996-2001) gewandelt hätten und nun moderater seien, habe sich als falsch erwiesen. Die Experten wiesen darauf hin, dass nicht nur Frauen in Afghanistan unter extremen Menschenrechtsverletzungen leiden, sondern etwa auch Minderheiten, Menschen mit Behinderung, Aktivisten oder ehemalige Mitarbeiter von staatlichen Sicherheitsbehörden.
Sicherheitslage hat sich verbessert
Die Unterdrückung der Frauen betrifft auch die Hilfsorganisationen vor Ort. Der Leiter des Kabuler Büros von Caritas International, Stefan Recker, berichtete im Deutschlandfunk, dass für die Organisation noch zwei Frauen tätig seien. Sie dürften nicht im Büro arbeiten. Das Verbot ihrer Tätigkeit erstrecke sich aber nicht auf medizinische Projekte. Die eigentlichen humanitären Massnahmen würden jedoch nur noch mit Männern bestritten.
Recker, der wieder vor Ort ist, sagte, man sehe viel mehr Bettler als früher auf den Strassen. Die Lage sei verzweifelt, viele Menschen wollten noch fliehen. Auch die Caritas hat Kontakte auf Arbeitsebene mit den Taliban. Das sei nötig für Visa, Genehmigungen oder wegen Berichtspflichten. Das seien aber keine politischen Kontakte.
Zwei Dinge stimmten ihn optimistisch, sagte Recker. Einerseits habe sich die Sicherheitslage entscheidend verbessert, es gebe wenig Strassenkriminalität. Auf der anderen Seite lobte Recker die Widerstandskraft der Afghaninnen und Afghanen.