Noch ist Donald Trump nicht einmal offizieller Kandidat der US-Republikaner. Doch was er sagt, beeinflusst jetzt schon die Weltpolitik. Denn seine Wahlchancen sind intakt. Und die meisten republikanischen Abgeordneten liegen ihm zu Füssen.
Trumps Einladung an Wladimir Putin, ein Nato-Mitgliedsland zu überfallen, verschafft dem Nato-Verteidigungsministertreffen plötzliche Brisanz. Eigentlich sollte es ein Routinetreffen zur Vorbereitung des Nato-Jubiläumsgipfels im Juli sein. Das ist es nun nicht.
Nato-Treffen mit Brisanz
Zwar versuchen einzelne, Trumps Drohung kleinzureden, doch es gelingt ihnen nicht wirklich. Die meisten äussern sich sehr pointiert und irgendwo zwischen erschrocken und empört. Äusserst scharf liess sich kurz vor dem Nato-Treffen auch US-Präsident Joe Biden vernehmen: Schockierend und unamerikanisch sei, was Trump aller Welt erzähle – und schlimmer noch, er meine, was er sage.
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg wiederum betont, die Allianz handle entschlossen. Er meint damit, entscheidend sei, was die Nato tue, und nicht, was Trump sage.
Tatsächlich dürften in diesem Jahr erstmals fast zwei Drittel, nämlich 18 der 31 Nato-Staaten, das selbstgesetzte Ziel erreichen, mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandproduktes in die Streitkräfte zu investieren. Selbst Deutschland, lange unter den Säumigen, dürfte 2024 die Vorgabe erfüllen. Vor zehn Jahren, als man sich die zwei Prozent vornahm, schafften das bloss drei Länder.
Keine Verteidigung Europas ohne USA
Doch selbst wenn nun die meisten europäischen Bündnismitglieder kräftig aufrüsten, ist allen klar: Ohne die USA als Garantiemacht, ohne ihren militärischen und auch atomaren Schutzschirm für Europa, lässt sich Europa nicht verteidigen, ist die Nato obsolet.
Deshalb kritisiert sogar der vorsichtige Stoltenberg Ex-Präsident Trump, ohne ihn namentlich zu nennen: Jegliche Andeutung, die Nato-Bündnispflicht würde im Fall eines russischen Angriffs verletzt und das Prinzip «alle für einen, einer für alle» missachtet, gefährde alle Mitgliedsländer.
Deshalb sei es so wichtig, nicht nur mit Taten, sondern auch mit Worten Einigkeit zu demonstrieren. Alle wissen: Steht einmal die Glaubwürdigkeit und Geschlossenheit der Nato infrage, müssen zur Kompensation der löchrigen politischen Abschreckung noch viel mehr militärische Mittel investiert werden.
Hilfe für die Ukraine drängt
Das ist ohnehin nötig, um der Ukraine beizustehen. Erstmals seit sehr langer Zeit eröffnete dieser Tage der deutsche Bundeskanzler eine grosse Munitionsfabrik. Denn es eilt mit der Hilfe für die Ukraine. Kiew fehlt es dramatisch an Munition, Ersatzteilen, Drohnen und Raketen.
Immer mehr Beobachter und Nachrichtendienste sprechen nicht länger von einem Patt im Ukraine-Krieg, sondern davon, dass Russland die Oberhand gewinnt. Bei der Nato sieht man zwar mittlerweile, dass die Uhr gegen die Ukraine läuft. Gehandelt wird aber nur zögerlich.
Unmittelbar nach dem russischen Überfall schien die Nato in Bestform. Über Nacht geeint und entschlossen, stärker zu werden. Mittlerweile sieht es bereits wieder anders aus. Die Zweifel wachsen.