Es war ein diplomatischer Coup für die damalige Schweizer Aussenministerin Micheline Calmy-Rey: Mit viel Enthusiasmus und Zuversicht stellte sie der Weltöffentlichkeit im Dezember 2003 die Genfer Initiative vor. Es war ein konkreter Vorschlag, wie die Zweistaatenlösung für Israel und Palästina umgesetzt werden könnte.
Zurück in die Schublade
Ausgearbeitet wurde das Friedensprojekt nicht nur von Politikern und Diplomatinnen, sondern auch von Mitgliedern der israelischen und der palästinensischen Zivilgesellschaft. Für alle Streitpunkte wurden Lösungsansätze präsentiert. Doch zur Umsetzung kam es bekanntlich nie.
Die Schweiz hat ihre finanzielle Unterstützung der Genfer Initiative auf Ende 2023 eingestellt. Der Entscheid fiel noch vor dem 7. Oktober. Begründung: Die Genfer Initiative sei kaum mehr relevant, obwohl man an ihrem Ziel, der Zweistaatenlösung, festhalte.
Vorausgegangen war eine Motion im Nationalrat von 2020, die eine externe Evaluation gefordert hatte.
Zwei NGO-Direktoren auf Schweizbesuch
Die Genfer Initiative hat bisher also nicht zum Frieden geführt. Doch im israelischen Tel Aviv und im palästinensischen Ramallah gibt es zwei miteinander verflochtene NGOs, die sich nach wie vor für deren Umsetzung engagieren. Sie führen etwa Treffen für junge Aktivistinnen und Aktivisten beider Seiten durch, fördern den Dialog und machen politische Aufklärung, auch im Ausland.
Alle Regierungen der Welt unterstützen die Zweistaatenlösung, bis auf jene Irans und Israels.
Die beiden Direktoren, der Palästinenser Nidal Foqaha und der Israeli Gadi Baltiansky, waren Anfang Juni in der Schweiz und trafen sich mit Vertretern des Aussendepartements EDA und mit einer Delegation von Parlamentarierinnen und Parlamentariern. Sie hoffen, dass die Schweiz ihre Organisationen in Zukunft wieder fördert.
Der Kontext habe sich seit den Terroranschlägen der Hamas und dem Krieg in Gaza total verändert. Die Genfer Initiative sei relevanter als je zuvor. Der Israeli Baltiansky sagt: «US-Präsident Joe Biden spricht gefühlt dreimal pro Tag von der Zweistaatenlösung. Und alle Regierungen der Welt unterstützen sie, bis auf jene Irans und Israels.» Es sei wichtig, diese Unterstützung jetzt in die Tat umzusetzen.
Der Palästinenser Foqaha ergänzt: «Alle sind sich einig, dass die Genfer Initiative das beste Rezept zur Umsetzung der Zweistaatenlösung ist. Wenn die Schweiz etwas anderes behauptet, ist das irrational.»
Das EDA überarbeitet Nahost-Strategie
An der Genfer Initiative führe kein Weg vorbei. Foqaha und Baltiansky sind davon überzeugt, dass die radikalen Kräfte sowohl in Palästina als auch in Israel eingedämmt werden können, wenn es glaubhafte Friedensbemühungen gebe. Dazu brauche es allerdings die tatkräftige Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, auch der Schweiz.
Das EDA teilt mit, die Nahost-Strategie und damit auch die neuen Schwerpunkte der Schweizer Friedensförderung im Nahen Osten würden derzeit überarbeitet. Hauptgeldgeber der Genfer Initiative sind mittlerweile die USA, Kanada, die EU und einige europäische Staaten sowie private und öffentliche Stiftungen.
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