Seit einer Woche gilt in der Schweiz die Homeoffice-Pflicht. Nicht für alle Betroffenen ist das gleichermassen erfreulich. Einige fühlen sich einsam. Arbeitspsychologe Martin Kleinmann plädiert für eine Fokussierung auf Lösungen statt auf Probleme – und für virtuelle Treffen mit Kollegen.
SRF News: Für viele ist Homeoffice eine psychische Belastung. Warum?
Martin Kleinmann: Die Arbeit im Büro bietet normalerweise ganz andere Möglichkeiten, als wenn man zu Hause vor dem PC sitzt. Dort hat man Kolleginnen und Kollegen, die man auch im Alltag schätzt. Und man hat durch unterschiedliche Tätigkeiten viel mehr Gelegenheiten, seine Zeit nicht nur vor dem Computer sitzend zu verbringen. Der zweite Punkt, der eine Rolle spielt, ist, dass die Abgrenzung zwischen Freizeit und Berufstätigkeit durch das Homeoffice sehr viel schwieriger ist, als das im Büro der Fall ist.
Aber im Homeoffice ist man doch flexibler, kann zum Beispiel über Mittag eine Wäsche machen. Weshalb sind trotzdem einige unglücklicher?
Man hat zuhause durchaus viele Möglichkeiten. Man kann ein Päuschen machen, wann man es möchte. Man kann die Wäsche machen, die Kinder abholen und dergleichen. Das sind Vorteile.
Abends noch an der Arbeit zu sitzen, kann auch erschöpfender sein, als es am Arbeitsplatz wäre.
Die Schwierigkeit ist aber, dass ich, wenn ich zu Hause arbeite, meist nicht so effizient bin, wie es im Büro der Fall ist. Dann kann es sein, dass Personen länger arbeiten, dass sie sich weniger abgrenzen von der Freizeit, dass sie abends noch an der Arbeit sitzen, und dass das deswegen auch erschöpfender sein kann, als es am Arbeitsplatz der Fall ist.
Was kann man als Arbeitnehmerin, als Arbeitnehmer, die oder der im Homeoffice arbeiten muss, tun, um weniger einsam zu sein?
Was sich vonseiten der Arbeitnehmenden, aber auch vonseiten der Chefs anbietet, ist, dass man sich neben den Arbeitsbesprechungen in gewissen Abständen trifft, um beispielsweise nur einen Schwatz zu halten, um eine Pause zu machen, um sich auszutauschen darüber, was man erlebt. Auch diese virtuelle Form, sich auszutauschen, hat eine verbindende Wirkung.
Aber es fühlt sich nicht gleich an, wenn man sich am Bildschirm sieht.
Nein, das ist nicht das Gleiche. Aber es ist besser, als wenn man es nicht macht. Eine Schwierigkeit besteht darin, dass man den Computer normalerweise als Arbeitsgerät sieht. Kleinere zwischenmenschliche Austausche, wie man sie bei der Arbeit hat, wo man guten Morgen sagt oder in der Pause kurz miteinander redet, fehlen. Deswegen ist es hilfreich, wenn man versucht, solche Begegnungszonen mithilfe des Computers herzustellen.
Gibt es noch andere Dinge, die Sie Arbeitnehmenden mitgeben würden?
Es gibt die sogenannte Resilienzforschung. Dabei geht es darum, wie Personen stabil bleiben, wenn sie mit Krisen zu tun haben. Und da gibt es ein paar Faktoren, die hilfreich sind. Zuversicht kann zum Beispiel eine Rolle spielen. Wenn man versucht, das Ganze lösungsorientiert zu gestalten, und sich auch Gedanken darüber macht, dass das eine oder andere vielleicht jetzt ein Problem ist, aber mittelfristig – das heisst in zwei, drei Monaten – vorbei ist. Und dass wir einfach akzeptieren müssen, so wie die Situation jetzt ist.
Virtuelle Treffen helfen dabei, gefühlsmässig stabiler zu bleiben, als wenn man ganz alleine ist.
Es empfiehlt sich, dass man das, was einem fehlt, nämlich Kontakte mit Freundinnen und Freunden, virtuell macht. Man kann sich so zum Kaffeetrinken oder auch abends auf ein Glas Wein treffen. Das hilft dabei, gefühlsmässig stabiler zu bleiben, als wenn man ganz alleine ist.
Das Gespräch führte Raphael Günther.