Seit knapp einer Woche gilt in der Schweiz die Homeoffice-Pflicht. Im Frühling habe sie sich über Homeoffice noch gefreut, meint Tania: «Ich hatte einen langen Arbeitsweg, deswegen fand ich die Regelung gut, da ich nun mehr Zeit hatte.» Tania ist 18-jährig, macht aktuell die Lehre als Mediamatikerin, stammt aus dem Kanton Thurgau, und arbeitet in der Stadt Zürich.
Es ist nicht einfach, insbesondere Lernende im ersten Lehrjahr, von zuhause aus zu betreuen.
Wie viele arbeitet sie nun seit gut einem Jahr im Homeoffice. Und manchmal habe sie schon den Homeoffice-Koller: «Das Team fehlt einem schon ein wenig, und man freut sich, die Leute wiederzusehen.»
Schwierig aufzuholen
Der erneute Shutdown werfe viele Lernende nochmals zurück, sagt Ursula Renold von der ETH Zürich. Die Bildungsprofessorin untersucht seit April die Auswirkungen von Corona auf die Lernenden in der Schweiz: «Es ist nicht einfach, insbesondere Lernende im ersten Lehrjahr, von zu Hause aus zu betreuen. Die Berufsbildner sind ebenfalls zu Hause.» Im Frühling hätten neun Prozent der Jugendlichen keine betriebliche Ausbildung gehabt, sagt Renold.
Wenn die Lernenden in den nächsten Wochen erneut viel verpassten, könnten sie das nur noch schwer aufholen, sagt Renold weiter. Das zeigt sich auch bei ihren Umfragen. Zusammen mit ihrem Team befragt sie seit Frühling jeden Monat rund 2500 Firmen zum Thema. Ihre Umfragen zeigen: Firmen glauben immer weniger daran, dass ihre Lernenden aufholen können, was sie verpassen.
Trübe Aussichten für Chancengleichheit
Natürlich sei die Situation von Firma zu Firma, von Branche zu Branche und von Lernendem zu Lernendem unterschiedlich, sagt die Bildungsprofessorin. Es komme auf die Mittel der Firma an, inwiefern die Branche von Corona betroffen sei, oder auf die Persönlichkeit des Lernenden.
Es gebe aber auf jeden Fall auch Beispiele, bei denen funktioniere das Arbeiten von zu Hause aus gut. Für die Chancengleichheit bedeute die aktuelle Situation aber nichts Gutes: «Jugendliche, welche ohnehin bereits zu den Schwächeren gehören, haben in dieser Zeit noch grössere Mühe, flexibel und rasch reagieren zu können.»
Nicht alle lernten gleich gut. Und nicht alle lernten gleich leicht am Computer, so Renold. Auch hätten nicht alle zu Hause die Infrastruktur, die sie brauchten, oder die Ruhe und den Platz, um konzentriert arbeiten zu können. Das könne auch demotivieren.
Für Tania funktioniert das Homeoffice diesbezüglich gut. Sie ist sich als Mediamatikerin das Arbeiten am Computer aber gewöhnt. Und ihr Bruder ist vor kurzem ausgezogen.
Sie hat sein Zimmer nun zu ihrem Büro gemacht. In Sachen Selbständigkeit glaubt sie sogar, mehr profitiert zu haben als vor Corona: «Dadurch, dass man auf sich allein gestellt war, wurde die Selbständigkeit gefördert.»
Bei Tania läuft fast alles – trotz Corona – nach Plan. Das hat wohl auch mit ihrer Chefin zu tun. Sie telefonierten regelmässig, erzählt Tania: «Sie fragt mich, wie es mir geht oder ob ich Hilfe benötige.»
Viele offene Fragen
Bald steht die Lehrabschlussprüfung an. Ob die tatsächlich stattfinden wird? Und wenn ja, in welcher Form? Zur Debatte steht auch, ob die Prüfungen vereinfacht werden sollen. Mit solchen Fragen wird sich in den nächsten Wochen die zuständige Taskforce, die Wirtschafts- und Bildungsminister Guy Parmelin im Frühling ins Leben gerufen hat, beschäftigen müssen.
Eines aber bleibt sicher: Corona trifft viele Lernende hart. Sei es, weil es der Branche schlecht geht, wegen dem Homeoffice, oder weil sie in Quarantäne müssen.