Seit Einführung des 24-Stunden-Asylverfahrens beantragen deutlich weniger Asylsuchende aus Maghreb-Staaten Asyl in der Schweiz. Das erstaunt Beat Stauffer nicht. Der Journalist befasst sich seit Jahren mit dem Maghreb und erklärt, welche Auswirkungen eine Verschärfung des Schweizer Asylverfahrens auf die Bewohner im Maghreb hat.
SRF 4 News: Beat Stauffer, was sind das für Menschen aus den Maghrebstaaten, die zu uns kommen?
Beat Stauffer: Grossmehrheitlich sind es junge Männer und Jugendliche, die ein besseres Leben suchen. Sie sind frustriert über die Situation in ihren Herkunftsländern und haben sich entschieden wegzugehen, auf der Suche nach einer neuen Perspektive. Die Leute in den Unterschichten, aus den grossen Banlieus, im Hinterland von Marokko, Algerien, Tunesien, haben sehr geringen Chancen auf ein gutes Leben. Sie sind häufig auch schlecht gebildet.
Tatsächlich ist es in Europa schwieriger geworden für Leute aus dem Maghreb, doch das ist noch nicht angekommen.
Sie hören im Maghreb bis heute, dass es in Europa Chancen gibt. «Wenn du übers Meer gehst und nach Italien kommst, musst du dich zuerst durchschlagen. Das ist hart, aber wenn du genug schlau und hartnäckig bist, dann gibt es irgendwo eine Lösung», heisst es. Tatsächlich ist es in Europa schwieriger geworden für Leute aus dem Maghreb, doch das ist noch nicht angekommen.
Auch die Schweiz zieht die Schraube an mit den 24-Stunden-Verfahren. Wie reagiert man in den Maghrebstaaten darauf?
Wenn diese Verfahren in der ganzen Schweiz eingeführt werden, bin ich überzeugt, dass man im Maghreb zwei Wochen später davon weiss und dass sich zumindest die Schleuser und die gut informierten Migranten an dem orientieren. Das könnte heissen, dass diese Leute dann in ein anderes Land gehen und nicht in die Schweiz kommen. Das ist für die Schweiz vielleicht positiv, für die EU dann ein bisschen weniger.
Für wie nachhaltig halten sie dieses Verfahren für Migranten aus den Maghrebstaaten?
Ich denke, es ist ein erster Schritt. Wir können aber erst einschätzen, wie sich das auswirkt, wenn diese Schnellverfahren in allen sechs Bundesasylzentren eingeführt sind. Wichtig wäre aber eine schnellere Identifikation der Gesuchstellenden. Das ist bis heute ein Problem. Und das hat dann zur Folge, dass die Leute zwar einen schnellen negativen Vorentscheid bekommen, aber dann monatelang vielleicht irgendwo bleiben, weil sie nicht identifiziert werden können. Man muss von den Asylsuchenden verlangen, dass sie innerhalb von kürzester Zeit wesentliche Dokumente in ihren Herkunftsländern einscannen lassen, etwa von Bekannten, und diese dem SEM zuschicken, damit man sie eindeutig identifizieren kann.
Was wäre vielleicht eine bessere oder ergänzende Lösung zum Schnellverfahren?
Ich denke, die Schnellverfahren sind gut. Es braucht aber auch Migrationspartnerschaften mit den Maghrebstaaten. Diese Staaten werden nur mitmachen, wenn wir ihnen etwas bieten, etwa Ausbildungszentren für junge Leute, die am Rande der Gesellschaft leben. Das heisst, wir müssen diese Länder unterstützen, dass sie ihre Jugendlichen besser ausbilden. Dann wären diese Länder auch bereit, irreguläre Migranten und abgewiesene Asylbewerber schnell zurückzunehmen. Das ist der entscheidende Punkt.
Das Gespräch führten Tamara von Allmen und Claudia Kenan.