Es war am 13. April 1984, vor gut 40 Jahren, als das Bundesgericht in einem Urteil festhielt: «Er [der Steuergesetzgeber] darf Ehepaare grundsätzlich nicht stärker belasten, weil die Ehe als solche nicht erschwert werden darf …».
Seither wird um die Abschaffung der sogenannten Heiratsstrafe gerungen. Kantone und Gemeinden haben bei ihren Steuern diese Ungleichbehandlung inzwischen weitgehend beseitigt. Auf Bundesebene ist das nicht gelungen, weil immer wieder unterschiedliche Modelle von der einen oder der anderen politischen Seite verhindert wurden.
Die Trennlinie verläuft dabei nicht entlang des klassischen Links-rechts-Schemas. Vielmehr spaltet sich das Parlament in dieser Frage in ein gesellschaftsliberales und ein – fast gleich grosses – konservatives Lager. SP und FDP, Grüne und Grünliberale stehen auf der gesellschaftsliberalen Seite, Mitte und SVP auf der konservativen.
Gesellschaftsliberal gegen konservativ
Diese grundsätzlich unterschiedlichen Haltungen zeigen sich in den Vorschlägen, mit denen beide Seiten die Heiratsstrafe abschaffen wollen. Das konservative Lager möchte das traditionelle Familienmodell stützen oder zumindest nicht schwächen. Eheleute sollen weiterhin als Wirtschaftsgemeinschaft besteuert werden und die Steuerberechnung soll nicht Mütter benachteiligen, die nicht mehr oder nur wenig arbeiten.
Das gesellschaftsliberale Lager dagegen will mit der Abschaffung der Heiratsstrafe auch den gesellschaftlichen Wandel befördern. Für Ehefrauen soll es sich mehr lohnen, zu arbeiten, wenn von diesem Einkommen weniger dem Staat abgeliefert werden muss. Das helfe auch, argumentieren sie, dem Fachkräftemangel zu begegnen.
Diese links-liberale Allianz hat sich heute durchgesetzt. «Allianz der Vernünftigen» nannte der damalige SP-Präsident Peter Bodenmann in den 90er Jahren das Zusammengehen der SP mit der FDP, und hoffte, diese Allianz präge künftig die Politik. Es kam anders und auch diese Neuauflage der Allianz mit Grünen und Grünliberalen, ist brüchig.
Wie tragfähig ist der Kompromiss?
Links und Rechts ticken grundlegend anders, wenn es um Steuern geht. Das zeigte sich bei der konkreten Umsetzung der Individualbesteuerung. Die Linke war heute zwar für diese Individualbesteuerung, empfindet die Milliarde aber als Steuergeschenk und möchte, dass es viel weniger Steuerausfälle gibt. Sie stimmte heute nur zu, um den Vorschlag über die erste Runde im Nationalrat zu retten. Die FDP dagegen findet, der Staat müsse diese Mindereinnahmen verkraften können.
Im Dezember ist der Ständerat am Zug, wo die Mehrheitsverhältnisse noch knapper sind. Man wird sehen, ob trotz ideologischer Differenzen, ein Kompromiss bei der Individualbesteuerung zustande kommt, der den FDP-Frauen erlaubt, ihre Initiative zurückzuziehen.
Alles andere wäre ein Etappensieg für das konservative Lager und die Mitte-Volksinitiative. Sie will die Heiratsstrafe auch abschaffen, aber eben ohne das traditionelle Familienmodell zu schwächen.