Es ist ein Zahlensalat, diese BVG-Reform, soviel ist sicher. Welche Versicherten verlieren, welche gewinnen, ist nicht einfach zu sagen, weil man nicht wie bei der AHV alles über den gleichen Leisten schlagen kann. Deshalb suchen Befürworter und Gegner der Vorlage nach Fallbeispielen.
Gefundenes Fressen für die Gegner
Eine Pensionskasse, die im Juni schon in Expertenkreisen mit konkreten Zahlen aufwartete, ist die Gewerbekasse Proparis, die sich gegen die Vorlage stellt.
Der Proparis-Experte André Tapernoux rechnete vor, dass 89 Prozent der über 60-Jährigen Coiffeusen nach der Reform tiefere Renten erhalten würden. Bei den 55 bis 59-Jährigen seien es 80 Prozent, bei den 50 bis 54-Jährigen 73 Prozent. Ähnlich schlimm sei es bei Metzgern, Gärtnern, Floristinnen und in der Milchwirtschaft, so die Aussage des Experten.
Für die Gegner der Vorlage erweisen sich die Proparis-Zahlen als gefundenes Fressen, belegen sie aus Sicht der Gegner doch, wie nachteilig die Reform für die Über-50-Jährigen ist.
Direktor räumt irreführende Zahlen ein
Gleichzeitig reibt sich die Pensionskassenwelt seit Wochen die Augen, denn die BVG-Reform sieht für Versicherte über 50 Jahre Zuschüsse vor, um die Renteneinbussen abzufedern. Die Zuschüsse sind zwar von der Höhe des angesparten Alterskapitals abhängig – je kleiner dieses ist, desto höher wären die Zuschüsse. Aber gerade bei Coiffeusen, Kosmetikerinnen, Floristinnen, Metzgern oder in der Milchwirtschaft sind die Löhne und die Altersguthaben tief – und ihre Zuschüsse würden dementsprechend höher ausfallen.
Experte Tapernoux will auf Anfrage von Radio SRF seine eigenen Berechnungen nicht erklären. Und der Stiftungsrat der Proparis, geleitet vom Ex-Gewerbeverbandsdirektor Hans Ulrich Bigler, hat der Kasse einen Maulkorb verpasst. Doch der Direktor von Proparis, Michael Krähenbühl, nahm am Mittwoch auf Anfrage von Radio SRF erstmals Stellung: Die Zahlen seien nicht korrekt, beziehungsweise irreführend, gibt Michael Krähenbühl zu.
Wenn man es auf der Stufe der Versicherten anschaut – was kriegt jemand vor der Reform und was nachher – wäre das mit diesen Zahlen so gesehen nicht korrekt.
Man habe die Kosten aus Sicht der Pensionskasse zeigen wollen – und nicht die Rentensenkungen aus Sicht der Versicherten. «Wenn man es auf der Stufe der Versicherten anschaut – was kriegt jemand vor der Reform und was nachher – wäre das mit diesen Zahlen so gesehen nicht korrekt.»
Der Proparis-Direktor verteidigt sich aber damit, dass die Zahlen nur für den internen Gebrauch gewesen seien und nicht für externe Publikation. Und schon gar nicht mit der Absicht, «dass sie in den Medien durch Dritte, die nicht Partei in unseren Verwaltungsräten sind, für Propaganda missbraucht werden.»
Pensionskasse verspricht neue Berechnungen
Doch nun stehen die falschen Zahlen von Proparis im Raum und beeinflussen den Abstimmungskampf. Viele Medien und auch die SRF-Sendung «Arena» verwendeten die Zahlen bereits. Der Proparis-Direktor verspricht: «Wir werden zusammen mit dem Experten diese Berechnung nochmal machen. Ich gehe davon aus, dass wir in der nächsten Zeit diese Zahlen auf unserer Homepage ergänzen, damit die Öffentlichkeit Zugang zu diesen Informationen hat.»
Wieso man nicht schon im Juni Klarheit geschaffen hat, nach der ersten Publikation der irreführenden Zahlen im Tagesanzeiger, lässt der Proparis-Direktor offen. Damit kann Michael Krähenbühl den Verdacht nicht ganz ausräumen, dass Proparis absichtlich mit irreführenden Zahlen operiert, um so die Abstimmung zu beeinflussen.