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Autobahnausbau Per Autostopp auf der A1 – Wer fährt da? Und wieso?

Vier der sechs Autobahnprojekte, über die abgestimmt wird, liegen an der A1. Unser Reporter war auf der wichtigsten und meist befahrenen Strasse der Schweiz unterwegs. Auf dem Beifahrersitz quer durchs Land.

Die A1 beginnt unter einer Brücke. Hier, in St. Margrethen, versuche ich mein Glück: Autostopp.

Schon nach wenigen Minuten darf ich mit. In einem Kombi, mit Vater und Tochter. «Wir waren einen neuen Parkettboden aussuchen», sagt sie. Jetzt gehts nach Hause, nach St. Gallen. Für mich eine schlechte Nachricht. Ich will ja weg.

Autobahneinfahrt St. Margrethen.
Legende: Links A1, rechts A13: Unter der Brücke der Einfahrt St. Margrethen beginnt die A1. Sie führt quer durchs Mittelland bis an die französische Grenze bei Genf. SRF / Matthias Strasser

An der Raststätte St. Margrethen Nord lassen mich die beiden deshalb raus. Der Anfang ist geschafft.

Hauptberuflich auf der Autobahn

Die A1, die längste und meistbefahrene Strasse der Schweiz, ist irgendwie für alle da: Über mehr als 400 Kilometer hält sie Lieferketten zusammen und trennt Freunde. 86-mal bietet sie Anschluss. Auch mir.

Der A1 entlang. Das ist mein täglich Brot.
Autor: Dominik Probst Camionneur

Zwei Meter über der Raststätte lacht Dominik Probst aus seinem Lastwagen. Und lädt mich sofort ein. Über drei Stufen geht es hoch in die Fahrerkabine. Der Camionneur ist seit fünf Uhr früh unterwegs. «Der A1 entlang, durch und durch», sagt er. «Primär zwischen Härkingen und der Ostschweiz, das ist mein täglich Brot.»

Ausbau heisst Baustelle heisst Stau

Im Lastwagen, hoch über dem Stress der Autobahnpendler, geht es durch eines jener Ausbauprojekte, die zur Abstimmung kommen: den Rosenbergtunnel bei St. Gallen.

Mit dem Ausbauschritt 2023 soll er um eine dritte Röhre ergänzt werden. Platz für mehr Camions und Pendler. Probst allerdings sagt, vor der Entlastung komme die Geduldsprobe: «Ausbauten sind mit Baustellen verbunden und deshalb mit Stau.»

Um diese sechs Ausbauprojekte geht es

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Karte mit Autobahnprojekten in der Schweiz 2023.
Legende: SRF
  • A1, St. Gallen: Mit einer dritten Röhre durch den Rosenberg soll die Kapazität der A1 ausgebaut werden. Zudem soll ein neuer Zubringer den Verkehr von und nach Appenzell aufnehmen (Spange Güterbahnhof). Kosten: 1.24 Mia. Franken, Bau: 2030–2038.
  • A1, Bern: Zwischen Bern-Wankdorf und Schönbühl (Grauholz) soll die Autobahn von drei auf vier Fahrspuren je Richtung ausgebaut werden. Zudem ist eine Erweiterung der A6 bei Schönbühl auf sechs Spuren geplant. Kosten: 250 Mio. Franken, Bau: 2027–2030.
  • A1, Bern: Zwischen Schönbühl und Kirchberg soll die Autobahn von zwei auf drei Fahrspuren je Richtung ausgebaut werden. Kosten: 240 Mio. Franken, Bau: 2030–2033.
  • A1, Westschweiz: Zwischen Le Vengeron bei Genf und Nyon soll die Autobahn von zwei auf drei Spuren je Richtung ausgebaut werden. Kosten: 910 Mio. Franken, Bau: unklar.
  • A2, Basel: Mit dem Bau des neuen Rheintunnela (zwei Röhren mit je zwei Spuren) soll die Osttangente durch die Stadt vom Transitverkehr entlastet werden. Kosten: 1.87 Mia. Franken, Bau: 2029–2040.
  • A4, Schaffhausen: Die A4 soll durch den Fäsenstaubtunnel neu richtungsgetrennt geführt werden. Dafür ist eine zweite Röhre und eine zusätzliche Fahrspur pro Richtung vorgesehen. Kosten: 390 Mio. Franken, Bau: 2030–2038.

Quelle: Astra

Nach dem Bau aber helfe die höhere Kapazität auch dem Güterverkehr. «Mit sechs Spuren durch den Rosenberg kann das Verkehrsaufkommen besser absorbiert werden», so Probst.

Ohne uns gehts dann doch nicht.
Autor: Dominik Probst Camionneur

Nach dem Tunnel stoppt Probst bei einem Baumarkt, direkt an der Autobahn. Hier lädt er Baumaterial aus. Auf 11.5 Metern Ladefläche transportiere er fast alles, sagt der Chauffeur.

Kaffeemaschinen, Bücherkisten, selbst Marmorskulpturen habe er kürzlich in Österreich abgeholt. Oft habe er auch Velos mit dabei, fabrikneu. «So nahe ist das beieinander: Auf der Strasse sind die Spannungen gross – aber ohne uns gehts dann doch nicht.»

A1 als Arbeitsinstrument: Unterwegs mit Dominik Probst

Probst lädt volle Paletten aus, leere ein. Dann gehts weiter.

«Angenehmer als im Ausland»

Für mich geht es weiter mit Pierre, Grenzgänger aus dem Elsass. Durch den Thurgau Richtung Winterthur, auf der Überholspur. Natürlich läuft das Autoradio, das gehöre einfach dazu. «ABC SRF3 mag ich gerne!», sagt Pierre mit französischem Akzent. Auch hinter dem Steuer spiele er mit.

Ich finde die Schweizer Autobahn entspannt.
Autor: Pierre Grenzgänger und Vielfahrer aus dem Elsass

Pierre ist oft unterwegs und versucht, Stau zeitlich zu umgehen. Der Verkehr habe zwar deutlich zugenommen. Aber in der Schweiz zu fahren, sei immer noch deutlich angenehmer als im Ausland. «Da finde ich die Schweizer Autobahn entspannter.»

Ferien auf der Autobahn

In Kemptthal, kurz nach Winterthur, beugen sich zwei Jungs über ihre Motorhaube. Es qualmt. Aber darüber reden wollen die beiden nicht. Dafür bellt Olaf über die Raststätte. Der ist auf dem Heimweg aus den Norwegen-Ferien, im Wohnmobil von Ralf und Monika Mühli.

Die linke Spur ist für uns tabu.
Autor: Ralf Mühli Wohnmobilfahrer, auf dem Heimweg aus Norwegen

Hier, nördlich von Zürich, ist die A1 das meistbefahrene Autobahnstück der Schweiz, mit mehr als 140'000 Fahrzeugen pro Tag. Da müsse man sich einordnen mit dem Wohnmobil, sagt Ralf Mühli.

«Die linke Spur ist für uns tabu.» Tempo 90, hinter einem Muldenkipper. «Das ist unser Platz.» Aber die Mühlis machen ja Ferien auf der A1. Da stünden sie halt ganz am Schluss der automobilen Nahrungskette.

Das Wohnmobil von Ralf und Monika Mühli.
Legende: Norwegen retour: Mühlis machen auf der A1 Ferien. Mit Hund. SRF/Matthias Strasser

Und diese Kette beginnt sich jetzt aufzureihen: Stau, ab Wallisellen. Auch für Sonja Caballero Lorenzo, die hier nur kurz rauffährt. «Ich nutze keinen öV, ich bin Autofahrerin», sagt sie und bläst den Zigarettenrauch durch den Spalt am Fenster.

«Man muss nicht in der Kälte warten, man muss den Leuten nicht beim Telefonieren zuhören, ihren Gestank aushalten.» Deshalb fahre sie Auto.

Der Autobahnausbau: Argumente dafür und dagegen

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Am 24. November entscheiden die Schweizer Stimmberechtigten über den «Bundesbeschluss über den Ausbauschritt 2023 für die Nationalstrassen».

Drei Argumente dafür:

  • Wenn der Verkehr auf den Autobahnen fliesst, können Städte und Gemeinden vom Verkehr entlastet werden. So wird die Sicherheit im Strassenverkehr und Lebensqualität erhöht.
  • Stau verursacht hohe Kosten für die Wirtschaft. Gezielte Innovationen helfen, Ressourcen freizumachen für sinnvolle, produktive und innovative Tätigkeiten.
  • Durch viele Staustunden erhöht sich der CO₂-Ausstoss eines einzelnen Fahrzeugs erheblich. Eine Verflüssigung des Verkehrs kommt somit auch dem Klima entgegen.

Drei Argumente dagegen:

  • Ausbauten von Strassen verursachen zusätzlichen Verkehr, weiteren Stau, mehr Luftverschmutzung, Lärm und steigende CO₂-Emissionen.
  • Der geplante Ausbau ist mit rund fünf Milliarden Franken überteuert und verbraucht zu viel Land.
  • Bestehende Verkehrsprobleme werden mit der Vorlage nicht gelöst. Gefragt ist eine intelligente Verkehrsplanung mit Augenmass: kombinierte Mobilität, Verkehrsdrehscheiben, Ride- und Car-Sharing.

Birrfeld, Egerkingen, Niederbipp...

Wirklich entspannt ist die Stimmung auf der Raststätte Würenlos nicht. Dabei wurden hier einst Wohnungen gebaut. Verkaufsargument: der Ausblick auf die Autobahn, die gute Erschliessung. Für Emmanuel Fritsche nicht ausreichend, um dazubleiben.

Mit dem Industriekletterer geht es im Lieferwagen Richtung Westschweiz. Und Richtung Feierabend. Was er erwarte, jetzt, gegen 4 Uhr nachmittags? «Stau, natürlich.» Was denn sonst.

Stockender Verkehr bei Birrfeld. Dann bei Egerkingen. Bei Niederbipp gehts. Heute.

Die Raststätte Grauholz bei Bern im Novembernebel: Hier soll die Autobahn ausgebaut werden
Legende: Grau in Grau: die Raststätte Grauholz bei Bern. Hier soll auf zweimal acht Spuren ausgebaut werden. SRF/Matthias Strasser

Der Ausbau aber würde wohl nicht viel bringen, sagt Fritsche. Bis die ausgebaute Autobahn da sei, nehme ja auch der Verkehr noch einmal zu.

Mit FCZ-Fans ans YB-Spiel

Für mein letztes Teilstück darf ich dann noch einmal einsteigen. Etwas eingeengt sitze ich auf der Rückbank, vier Fans des FC Zürich nehmen mich mit. «Nach Sion, an den Fussballmatch», sagt einer der vier.

«Das ging nicht anders für uns, wir würden nach dem Spiel nicht mehr nach Hause kommen.» Blauweiss-uniformiert geht es im dichten Verkehr Richtung Wallis.

Dass ich am Abend das Spiel der Young Boys im Berner Wankdorf besuche, muss ja keiner erfahren in diesem Auto. Auch wenns eng wird: Auf der A1 haben eben alle irgendwie Platz nebeneinander.

Echo der Zeit, 01.11.24, 18.00 Uhr;kobt

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