Es ist die grosse Frage in diesem Abstimmungskampf: Wie wirkt sich der geplante Ausbau der Autobahnen auf den Verkehr aus? Für Bundesrat und Verkehrsminister Albert Rösti ist klar: Mehr Verkehr gebe es nur, wenn man eine neue Strecke baue, nicht wenn man Engpässe beseitige. «Wenn wir gezielt die Kapazität ausbauen, stellen wir sicher, dass jener Verkehr, der heute durch die Dörfer und Agglomerationen fährt, wieder zurückverlagert wird auf die Autobahn.» Damit werde das Stauproblem an diesen «neuralgischen Stellen» gezielt entschärft.
Ganz anders sieht das Jelena Filipovic. Die Co-Präsidentin des Verkehrs-Club der Schweiz betont: «Wir lösen die Stauproblematik nicht, sondern verlagern sie nur an den nächsten Engpass.» Und GLP-Nationalrat Beat Flach ergänzt: «Durch den Ausbau der Strassen sind die Pendeldistanzen gewachsen.» Auch beim nun diskutierten Ausbau werde man dereinst feststellen: «Nach 10 Jahren Bauzeit haben wir zwei Jahre Ruhe und dann werden wir genau dieselben Probleme wieder haben.»
Werden die 5 Milliarden Franken richtig eingesetzt?
Kern der Vorlage, welche am 24. November an die Urne kommt, bilden sechs Projekte auf Nationalstrassen in den Regionen Bern, Basel, St. Gallen, Schaffhausen und am Genfersee. Finanziert werden soll der Ausbau mit Geld aus dem Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrs-Fonds (NAF) – der Bund rechnet mit Kosten von rund 5 Milliarden Franken.
Dieses Geld sei falsch investiert, findet SP-Vizepräsident Jon Pult: «Wir müssen uns fragen, ob wir fünf Milliarden in Beton verbauen wollen, ohne langfristig das Problem zu lösen?» Das sei sicher nicht im Sinne der Umwelt.
FDP-Nationalrätin Jacqueline de Quattro verweist derweil auf die Situation am Genfersee. Die Menschen stünden dort täglich im Stau. «Es gibt Regionen in der Schweiz, da kommt man nicht mehr vorwärts.» Und weil die Autobahnen verstopft seien, nehme der Ausweichverkehr in den Dörfern zu. Das führe in den Quartieren zu Sicherheits- und Umweltproblemen. Daran ändere der geplante Autobahnausbau nichts, entgegnet Jelena Filipovic. Im Gegenteil: «Der Ausbau führt zu mehr Verkehr, der unweigerlich auch wieder in den Quartieren stattfindet.»
Umfrage: Knappe Mehrheit befürwortet Ausbau
Für Diskussionen sorgt auch die Frage, welche Auswirkungen der geplante Autobahnausbau auf den Benzinpreis hat. SP-Nationalrat Jon Pult warnt, dass der Bundesrat unter Umständen die Abgaben auf Benzin und Diesel erhöhen müsste, wenn die Fondsreserven zu Neige gingen. «Diese sechs Projekte, über die wir abstimmen, führen nicht zu einer Veränderung des Benzinpreises», hält Verkehrsminister Rösti fest.
Derweil betont GLP-Nationalrat Beat Flach, dass unter dem Ausbau vor allem auch die Natur leiden werde: Die CO2-Emissionen würden steigen und wertvolle Grünflächen gingen verloren. Der Ausbau betreffe nur etwa 2 Prozent des gesamten Autobahnnetzes, entgegnet Mitte-Nationalrat Philipp Kutter. Zudem investiere der Bund nicht nur in die Strassen, sondern parallel dazu auch in den Ausbau des öffentlichen Verkehrs. Die Schweiz brauche beides – ein «funktionierendes Strassennetz» und einen gut ausgebauten ÖV.
Wir brauchen neben dem gut ausgebauten öffentlichen Verkehr ein funktionierendes Strassennetz.
Die Ergebnisse der ersten SRG-Umfrage – durchgeführt vom Forschungsinstitut GFS Bern – deuten auf ein knappes Ja hin. Anfang Oktober sprach sich mit 51 Prozent eine knappe Mehrheit der befragten Stimmberechtigten für den Ausbau der Autobahnen aus.