Wer früher zu arbeiten beginnt, soll früher in Rente – das ist die Idee der Lebensarbeitszeit. In der Schweiz beträgt diese heute im Schnitt ungefähr 42 Jahre. Ein Beispiel: Mit 16 Jahren beginnt ein Bauarbeiter eine Lehre. Bei einer Lebensarbeitszeit von 42 Jahren würde er das Rentenalter mit 58 Jahren erreichen. Anders eine Ärztin, sie beginnt mit 26 Jahren, erst nach dem Studium, zu arbeiten. Nach 42 Jahren Arbeit würde sie erst im Alter von 68 Jahren pensioniert. Das Rentenalter würde damit an die Bildung gekoppelt.
Der Arbeitgeberverband findet das eine gute Alternative zu einem höheren Rentenalter. «Eine Lebensarbeitszeit wäre sicher eine faire, gerechte Lösung, weil eben alle grundsätzlich gleich lange arbeiten sollen und man das wirklich an die Person koppelt, je nachdem wann diese in die Erwerbstätigkeit einsteigt», sagt Barbara Zimmermann-Gerster, Leiterin Sozialpolitik beim Schweizerischen Arbeitgeberverband. Zudem würden die Einnahmen der AHV berechenbarer, weil man genau wisse, wie lange jede und jeder arbeite und einzahle.
Nationalrat hat Vorstoss gutgeheissen
In Frankreich gibt es den früheren Altersrücktritt seit letztem Jahr. Wer zum Beispiel bereits vor dem 18. Lebensjahr berufstätig war, kann mit 60 in Rente – vier Jahre vor dem gesetzlichen Rentenalter 64. In anderen Ländern ist die Lebensarbeitszeit in Diskussion. In der Schweiz hiess der Nationalrat im letzten Frühling einen Vorstoss dazu als erster Rat gut.
Das Volk hat ganz klar gesagt, Rentenalter 65 soll bleiben.
Die Gewerkschaften sehen die Lebensarbeitszeit höchstens für Menschen, die früh zu arbeiten begonnen haben. «Die Modelle, die man jetzt diskutiert, sind interessant, wenn man auch Frühpensionierungslösungen damit diskutieren kann, da sind wir offen dafür», sagt Travail-Suisse-Präsident Adrian Wüthrich. «Aber wenn es darum geht, jetzt zusätzliche Sparmassnahmen zu haben, da sind wir sicher nicht dafür. Das Volk hat ganz klar gesagt, Rentenalter 65 soll bleiben.»
Wir möchten das Rentenalter neu denken.
«Nur sparen oder etwas durchdrücken, das wäre sicher nicht unsere Absicht», sagt Barbara Zimmermann-Gerster. «Es geht nun mal darum, dass wir einfach mit einer Lebensarbeitszeit arbeiten wollen, dass wir das Rentenalter neu denken möchten.»
Modell wird wieder für intensive Diskussionen sorgen
Einig sind sich Arbeitgeber und Arbeitnehmervertreter, dass das Problem im Detail stecke. Das Modell berge Tücken, so Gewerkschafter Wüthrich. «Man muss definieren, wer wann genug Beitragsjahre hat und was ein Beitragsjahr ist, das genug zählen würde, sodass man sich ein Jahr früher pensionieren lassen könnte. Das muss gut diskutiert werden», so Adrian Wüthrich.
Auch ob und wie Betreuung von Kindern, pflegebedürftigen Eltern oder Weiterbildung angerechnet würden, sei zu diskutieren. Die Lebensarbeitszeit – ein Modell, das jetzt nach Annahme der 13. AHV-Rente wieder für intensive Diskussionen sorgt.