Die Initiative «Für Freiheit und körperliche Unversehrtheit» ist an der Urne abgestürzt. Dabei hat – laut dem Forschungsinstitut gfs Bern – ein Argument die Gegnerinnen und Gegner der Initiative besonders überzeugt: dass die geistige und körperliche Unversehrtheit bereits jetzt in der Bundesverfassung garantiert sei. Diese Tatsache hat in den Augen einer Mehrheit die Initiative schlicht unnötig gemacht.
Übertriebene Bedenken
Geschadet haben der Initiative sicher auch übertriebene Bedenken der Initianten: Diese warnten vor einem Impfzwang und vor Mikrochips, die den Menschen implantiert werden könnten.
Bundesrat und Parlamentsmehrheit versicherten jedoch wiederholt, dass es in der Schweiz keinen Impfzwang geben werde. Dies wirkte für eine Mehrheit glaubhaft – während die Gefahr von implantierten Mikrochips weit hergeholt schien.
Unglückliches Timing
Politik ist auch eine Frage des Timings: Die Initiative wurde während der Coronapandemie lanciert. Sie ist geboren aus der Unzufriedenheit über die Coronapolitik des Bundes, die in einem Teil der Bevölkerung herrschte. Die Einschränkungen, die Ungeimpften auferlegt wurden, stiessen damals auf Widerstand und lösten heftige Diskussionen aus.
Doch über genau diese Corona-Massnahmen wurden bereits dreimal abgestimmt – und dreimal stützte eine deutliche Mehrheit den Bundesrat. Für die meisten Bürgerinnen und Bürger ist das Thema damit abgehakt. Viele wünschen sich zudem, diese harte Phase hinter sich zu lassen und die gesellschaftlichen Gräben zuzuschütten, die während der Pandemie entstanden sind, statt sie neu aufzureissen.
Andere Sorgen
Kommt hinzu, dass wir heute in einer anderen Zeit leben als 2021, als die Initiative eingereicht wurde: Heute dominiert nicht mehr die Unsicherheit wegen der Pandemie, sondern das Unsicherheitsgefühl, das der russische Krieg gegen die Ukraine ausgelöst hat. Verdeutlichen lässt sich dies mit dem heutigen Abstimmungssonntag: Das Stromversorgungsgesetz und die beiden Vorlagen zu den Gesundheitskosten geben viel mehr zu reden als die Freiheits-Initiative, die kaum beachtet wird.
Es sind diese Fragen, die das Volk momentan viel stärker bewegen: Wie sicher ist die Schweizer Stromversorgung in diesen unruhigen Zeiten noch? Und immer mehr Haushalte fragen sich, wie sie die Krankenkassenprämien noch bezahlen können, die Jahr für Jahr steigen. Angesichts dieser Probleme, die vielen Menschen in diesem Land Bauchschmerzen bereiten, muss man zum Schluss kommen: Die impfkritische Initiative «Für Freiheit und körperliche Unversehrtheit» zielte an den aktuellen Sorgen der Bevölkerung vorbei. Deshalb hat sie Schiffbruch erlitten.