Letztes Jahr haben 462 Menschen ein Organ von einer verstorbenen Person erhalten. Dreimal so viele warteten 2021 auf eine Transplantation, zum Teil während Monaten oder sogar Jahren. Das soll sich mit der Widerspruchslösung ändern.
Sie soll für mehr Spender und Spenderinnen sorgen, sagt Gesundheitsminister Alain Berset: «Dieser wichtige Schritt ist da, um die Chancen aller Menschen zu verbessern, die auf ein Organ warten. Eine Organspende kann die Lebenszeit verlängern und sogar Leben retten.»
Dieser wichtige Schritt ist da, um die Chancen aller Menschen zu verbessern, die auf ein Organ warten.
Statt, dass man wie heute zu Lebzeiten aktiv Ja sagen muss, müsste man neu aktiv Nein sagen, wenn man nicht möchte, dass die eigenen Organe gespendet werden. Das sei ein Fehler, sagen jene, die gegen die Vorlage kämpfen. Eine von ihnen ist die Co-Präsidentin des Nein-Komitees, Susanne Claus. «Ein nicht geäussertes Ja oder Nein wird automatisch zu einem Ja.»
Verstoss gegen die Verfassung?
Die Gegnerinnen und Gegner sehen noch mehr Probleme bei der Widerspruchslösung. So verstösst ihrer Meinung nach das neue Gesetz gegen die Verfassung. Konkret gegen das Selbstbestimmungsrecht und das Recht auf körperliche Unversehrtheit.
Zudem würde diese Lösung die sozial Schwächsten benachteiligen, weil sie sich nicht angemessen informieren könnten, sagt Susanne Clauss: «Es gibt Menschen, die nicht lesen oder schreiben können, die die Sprache nicht sprechen. Wir gehen davon aus, dass das illusorisch oder schlicht nicht möglich ist, alle diese Menschen adäquat aufzuklären.» Und dass diese dann per Gesetz für eine Organspende infrage kämen, sei nicht fair.
Wir gehen davon aus, dass das illusorisch oder schlicht nicht möglich ist, alle diese Menschen adäquat aufzuklären.
Der Bundesrat meint, hier könnten sich ja die Angehörigen noch wehren. Denn – so steht es in der Vorlage –, wenn kein dokumentierter Wille vorhanden sei, werden diese befragt. Dazu sagt Alain Berset, wenn die Angehörigen wüssten oder vermuteten, dass eine Person ihre Organe nicht spenden wollte, müsse dies nicht geschehen.
Für die Gegner der Widerspruchslösung erhöht diese Variante den Druck auf Angehörige: «Eine solche Gesetzgebung wird ganz sicher einen gesellschaftlichen, moralisch ethischen Grundwertewandel herbeiführen. Man wird noch mehr davon ausgehen, dass es klar ist, dass man Organe spendet.»
Die Angehörigen müssten glaubwürdig darlegen, dass dieser Patient oder diese Patientin wirklich keine Organe spenden wollte, so Clauss weiter. Und das sei mit dem neuen Gesetz schwieriger. Die Volksabstimmung zur Widerspruchslösung ist am 15. Mai.