Unten wachsen Kartoffeln, Sellerie oder Beeren – und in der Höhe sammeln Solarpanels die Energie der Sonne. Das Verfahren nennt sich Agro-Photovoltaik – kurz Agro-PV.
Eine neue Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) zeigt, dass mit Agro-Photovoltaik hierzulande – unter Berücksichtigung verschiedener Ausschlusskriterien – insgesamt 131.9 Terawattstunden Strom erzeugt werden könnten pro Jahr. Das ist mehr als doppelt so viel, wie die Schweiz derzeit jährlich benötigt.
Gemäss Studie liegt das mit Abstand grösste Stromerzeugungspotenzial auf Ackerflächen, gefolgt von Weiden und Wiesen. «Wenn wir Photovoltaik im Ackerbau betreiben würden, dann hätte ein Flächenverbrauch von 1.1 Prozent schon einen ziemlich hohen Einfluss auf die Energiewende», so Studienleiterin Mareike Jäger.
Riesiges Potenzial wegen Auflagen nicht nutzbar
Was in Ländern wie Asien, den USA, aber auch in Frankreich oder Deutschland bereits praktiziert wird, ist in der Schweiz erst seit Kurzem theoretisch möglich. Grosse Schritte werden aber kaum möglich sein.
Agro-Photovoltaik soll primär dort eingesetzt werden, wo Photovoltaik die Produktion unterstützt.
Die Landwirtschaft habe primär die Nahrungsmittelproduktion zum Ziel, heisst es beim Bundesamt für Energie (BFE) auf Anfrage, weshalb für die Solarenergie nach wie vor Dach- und Fassadenflächen priorisiert würden. «Agro-Photovoltaik soll primär dort eingesetzt werden, wo Photovoltaik die Produktion unterstützt», so Frank Rutschmann, Leiter Sektion Erneuerbare Energien beim BFE. In anderen Worten: Die Solarpanels müssen einen Zusatznutzen erbringen – wie den eines Wetterschutzes – oder den landwirtschaftlichen Ertrag steigern.
«Die Forderung nach einem Mehrertrag ist eigentlich das Aus für Anlagen auf Ackerflächen», sagt Agrarexpertin Mareike Jäger. Der jetzige Forschungsstand zeige: Der Ertrag würde sich aufgrund der Panels um rund 20 Prozent reduzieren. Damit sei der georderte Mehrertrag auf Ackerflächen nicht realistisch.
Somit kommt Agro-PV hierzulande hauptsächlich für Dauerkulturen wie Beeren, Reben oder Obst infrage. Diese können einerseits vom Schatten der Panels profitieren, andererseits werden Dauerkulturen bereits jetzt häufig gedeckt. «Aber selbst, wenn wir bei sämtlichen Dauerkulturflächen den Hagel- oder Insektenschutz in Photovoltaik-Module wechseln würden, wäre der Beitrag zur Energiewende relativ gering», so Jäger. Gemäss Berechnungen der ZHAW liegt das Stromerzeugungspotenzial bei Dauerkulturflächen bei lediglich 5.1 Terawattstunden pro Jahr.
Positive Effekte durch Klimawandel
Ein Blick über die Landesgrenze. Bei Landwirt Florian Reyer von der Hofgemeinschaft Heggelbach in Deutschland, 30 Kilometer nördlich des Bodensees, steht seit sechs Jahren eine 2.5 Hektar grosse Photovoltaik-Anlage auf einer Ackerfläche – zwecks Forschung.
Reyer kennt das Problem des Minderertrags. Seine Erfahrung zeige jedoch, dass sich in trockenen Jahren die Anlage positiv auf die Kulturen auswirke. «Wenn wir wirklich davon ausgehen, dass wir einen rasanten Klimawandel haben, dann wird es immer wahrscheinlicher, dass Mehrerträge möglich sind.» Die Anlage diene dann als Sonnenschutz und Wasserspeicher.
Einen Mehrertrag als Bedingung für den Bau von Agro-Photovoltaik einzubauen – wie die Schweiz es tut – hält Reyer für wenig sinnvoll. «Ich kann nachvollziehen, dass man Ackerland vor Energieproduktion schützen will. Nur glaube ich, verbaut man sich etwas, wenn man es komplett ausschliesst.»
Das Bundesamt für Energie hält dagegen: «Wir haben im Moment einen Rekord-Zubau bei der Solarenergie», so Frank Rutschmann vom BFE. Ackerflächen zu belegen, sei nicht nötig.