Eines vorweg: Die mRNA-Impfstoffe sind ein Erfolg. Sie schützen weiterhin sehr gut vor schweren Verläufen, trotz der vielen Virusvarianten, die den Immunschutz umgehen. Einen Schutz vor Infektion erzeugen die mRNA-Impfstoffe aber nur für kurze Zeit nach der Impfung und nicht länger.
Eine Immunität, die zu fast 100 Prozent vor Infektionen schützen würde, nennt man steril. Und das wäre es ja, was wünschenswert wäre: Keine Infektionen mehr – keine Corona-Wellen mehr.
Doch das sei bei Viren, die über die Schleimhaut angreifen, fast nicht erreichbar, erklärt Virenforscher Volker Thiel von der Universität Bern: «Erreichbar ist aber sicher eine Verbesserung, wenn die Immunität nicht irgendwo im Körper sitzt, sondern dort, wo das Virus uns zu infizieren versucht. Dann würde das Virus sofort ausgebremst und nur noch eine einfache und leichte Infektion auslösen.» Mit anderen Worten: Also wirklich nur noch ein Schnupfen und nicht mehr.
Erreichbar ist aber sicher eine Verbesserung, wenn die Immunität nicht irgendwo im Körper sitzt, sondern vor Ort, da, wo das Virus versucht, uns zu infizieren.
Kampfzone Nasenschleimhaut
Für das Coronavirus heisst das: Die per Impfung erzeugte Immunität muss in der Nasenschleimhaut sitzen. Eine solche «mukosale» Immunität erreichen mRNA-Impfstoffe, die man in den Muskel spritzt, nur vorübergehend. Deshalb gibt es zurzeit so viele Menschen, die sich trotz Impfung infizieren, deren Immunabwehr dann aber doch anspringt und für einen milden Verlauf sorgt.
Nun gibt es Impfstofftypen, die das vielleicht besser schaffen. Thiel ist mit Kollegen in Deutschland und der Schweiz daran, einen solchen nasalen Impfstoff zu entwickeln. Das Projekt wurde bereits 2020 gestartet und wird vom Schweizerischen Nationalfonds gefördert.
Wir wollen mit diesen beiden (Impfstoffen) nun Phase 1-Studien im Menschen angehen.
Hauptbestandteil des nasalen Impfstoffs sollen abgeschwächte Corona-Viren sein. Thiel probierte viele verschiedene Arten aus, um die Viren abzuschwächen: «Zwei davon funktionieren sehr gut – als Impfstoff im Tiermodell. Wir wollen mit diesen beiden nun Phase 1-Studien im Menschen angehen.»
In Phase 1 wird an wenigen Menschen die Sicherheit des Impfstoffs geprüft. Danach folgen weitere Studienphasen mit immer mehr Probanden. Diese sind teuer, deshalb wird es private Investoren brauchen. Schon jetzt ist die Basler Firma RocketVax dabei, aber man wird noch weitere, finanzstärkere Partner an Bord holen müssen. Bis die Impfstoffe verfügbar sind, werden sicher noch ein bis zwei Jahre vergehen – auch wenn alles rund läuft.
Zukunftsgerichtete Vorarbeiten
Warum war die Entwicklung der mRNA-Impfstoffe so viel schneller? Zum einen wurde in sie massiv und schnell Geld investiert. Doch es gibt laut Thiel noch einen zweiten Grund: «Die mRNA-Forschung lief schon viele Jahre vor der Pandemie. Die Technik war dann genau zur richtigen Zeit reif und hat funktioniert.»
Die Forschung an Viren im Labor, wie Thiel und seine Kollegen sie jetzt gemacht haben, wurde lange kritisch gesehen. Insbesondere genetische Veränderungen an Viren. Also gab es wenig Förderung, und es passierte insgesamt wenig.
Vorbild für nasale Impfstoffe
Das könnte man jetzt anders machen, so Thiel. «Man müsste die Strategien mit den abgeschwächten Viren jetzt auch weiterverfolgen und schauen, welche Viren in Zukunft kommen könnten. So könnte man vorbereitend Vorarbeit leisten.»
Bei einem nächsten neuen Virus werden wohl die ersten Impfstoffe in Zukunft vorzugsweise per mRNA-Technik entwickelt, weil diese Technik unschlagbar schnell ist. Wenn die besser wirkenden nasalen Impfstoffe mit abgeschwächten Viren aber durch vorbereitende Forschung dann besser verstanden wären, könnte man sie deutlich schneller nachlegen und den Immunschutz für viele verbessern.