Paul Weber ist ein gut qualifizierter 55-Jähriger. Ursprünglich hatte er eine Lehre gemacht, später aber die Matura nachgeholt und studiert. Laufend hat er sich weitergebildet, während seiner letzten Stelle noch eine Führungsausbildung absolviert.
Nach über zehn Jahren im gleichen Job wollte er nochmals einen Schritt machen – und hat gekündigt. «Überall habe ich vom Fachkräftemangel gelesen. Ich war überzeugt, bald wieder etwas zu finden.»
Dass ich so lange am Suchen bin, zeigt, dass da etwas schief läuft. Es kann nicht nur an mir liegen.
13 Monate später ist der Optimismus verflogen. Ein Dutzend Bewerbungsprozesse und ebenso viele Absagen haben ihn zermürbt. Paul Weber, der eigentlich anders heisst, spricht mittlerweile von Altersdiskriminierung: «Dass ich so lange am Suchen bin, zeigt, dass da etwas schiefläuft. Es kann nicht nur an mir liegen.»
Das bestätigt auch der Personalvermittler Pascal Scheiwiller. Er kennt die Sicht der Stellensuchenden und weiss, was die Unternehmen suchen. Scheiwiller sagt, das Problem des Fachkräftemangels werde übertrieben dargestellt: «Wäre dem wirklich so, würden sich die Unternehmen viel flexibler zeigen.»
Null-Toleranz für Abweichungen
Gemäss Personalvermittler Scheiwiller sind die Unternehmen nicht bereit, Abweichungen vom Wunschprofil in Kauf zu nehmen: «Es gibt klare Kriterien und Anforderungen. Wer die nicht erfüllt, wird nicht eingestellt.» Auch Quereinsteiger seien unbeliebt, «weil man in sie investieren muss und nicht weiss, ob es gut kommt».
Kommen persönliche Vorurteile hinzu, stecken über 55-Jährige schnell in einer Schublade: schwierig zu integrieren, weniger leistungsbereit, weniger technikaffin.
Die Ansprüche an die Passgenauigkeit bei einer Stellenvergabe fielen bei Älteren stärker ins Gewicht, beobachtet der Personalvermittler: «Kommen persönliche Vorurteile hinzu, stecken über 55-Jährige schnell in einer Schublade: schwierig zu integrieren, weniger leistungsbereit, weniger technikaffin.»
Derart wählerisch zu sein, müsse man sich leisten können, ist Pascal Scheiwiller überzeugt: «Den Unternehmen steht die ganze EU als Rekrutierungsraum offen, nicht nur der Schweizer Arbeitsmarkt. Und das nutzen sie.»
Absage an Altersquote
Gleichwohl ist der Personalvermittler gegen Altersvorschriften für Unternehmen. Denn eine Quote bewirke genau das Gegenteil dessen, was man erreichen wolle, ist er überzeugt: «Wenn Sie den Unternehmen vorgeben, so und so viel Prozent der Angestellten müssten über 55 sein, haben diese Leute es noch schwerer bei Einstellungen; niemand hält sie für qualifiziert.»
Eine Altersquote lehnen wir ab.
Auch der Arbeitgeberverband SAV winkt ab, wenn es um Vorgaben für Unternehmen geht. Die Unternehmen müssten die für sie besten Leute wählen können, sagt Daniela Lützelschwab vom SAV, «eine Altersquote lehnen wir darum ab.» Auch einen Altersvorrang für ältere Bewerber bei gleicher Qualifikation hält der SAV für untauglich, weil dadurch andere Bewerberinnen und Bewerber diskriminiert würden.
Die Logik des Marktes
Personalvermittler Pascal Scheiwiller ist überzeugt, das Problem werde sich von selbst lösen, wenn sich der Fachkräftemangel weiter verschärft: «Dann haben auch ältere Kandidatinnen und Kandidaten mehr Chancen. Das ist die Logik des Marktes.»
Für Paul Weber, der seit über einem Jahr eine Stelle sucht, ist das ein schwacher Trost. Der 55-Jährige wünscht sich Vorgaben des Bundes: «Ich glaube, es braucht Leitplanken, damit ältere Bewerberinnen und Bewerber überhaupt eine Chance haben.»
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