Der Fachkräftemangel hat sich nochmals verschärft und erreicht in der Schweiz einen neuen Höchststand. Trotz der aktuellen wirtschaftlichen Abschwächung ist er im Vorjahresvergleich um 24 Prozent gestiegen. Dies zeigt eine Studie von Adecco und der Universität Zürich.
Doch was heisst das konkret für Arbeitnehmende? Und wie spüren dies die Berufs- oder Studienberater in den Kantonen? Anrufe bei solchen Beratungsstellen in der Deutschschweiz geben Antworten.
Basler Unternehmen haben hohen Bedarf an Arbeitskräften
Lars Hering ist Leiter bei der Berufs- und Laufbahnberatung Basel-Stadt. Er spürt den Fachkräftemangel insofern, als immer mehr Firmen mit der Stelle Kontakt aufnehmen: «Früher waren die Arbeitgebenden nur an den 16-Jährigen für eine Lehrstelle interessiert. Jetzt fragen Sie immer mehr nach Quereinsteigern.»
Auch die Kundinnen und Kunden der Berufsberatung beschäftigt das Thema. So fragen diese laut Hering konkret nach Branchen, die Bedarf an Arbeitskräften haben. Gab es früher noch wenige Berufsfelder, die dies betraf, geht es nun fast allen gleich, wie der Basler Berufsberater sagt: «Es gab Zeiten, da haben die Metzger händeringend nach Leuten gesucht. Mittlerweile suchen alle.» Positiv für Arbeitnehmende: Dies führe dazu, dass die Berufsberatungen wieder zunehmend klassische Laufbahnberatung nach Interessen machen könnten, so Hering.
Diese Verschiebung bedeutet auch, dass Arbeitnehmende häufiger eine bessere Verhandlungsposition haben. Beim Lohn beispielsweise. Gleichzeitig würden sich die Leute auch öfters dazu entscheiden, zu kündigen und eine Auszeit oder längere Ausbildung zu machen. Hering: «Weil sie überzeugt sind, schon wieder etwas finden.»
Arbeitnehmende sollen Arbeitsmarktfähigkeit reflektieren
Die Aus- und Weiterbildung ist natürlich entscheidend, wie Ernst Kurzbein sagt. Er ist der Leiter der Berufs- und Studienberatung des Kantons Thurgau. Er rät Arbeitnehmenden, regelmässig ihre Arbeitsmarktfähigkeit zu reflektieren. «Die Erfordernisse entwickeln sich je nach Branche sehr schnell weiter. Und hier sollte man nachziehen und auch sich selbst weiterentwickeln und neue Kompetenzen aneignen. Ansonsten droht es einen herauszuspülen.»
Denn man könne heute nicht ein Studium oder eine Lehre machen und dann denken, das halte jetzt 20 Jahre. Kurzbein resümiert: «Eine Ausbildung hat eine Halbwertszeit und wie vieles andere auch nimmt ihr Wert über die Zeit ab.»
«Deshalb sagen wir allen fast Mantra-mässig: Weiterbildung, Weiterbildung, Weiterbildung.» Gleichzeitig sieht er aber auch die Arbeitgebenden in der Pflicht: «Die Unternehmen können die Weiterbildung ihrer Mitarbeitenden aktiv unterstützen und somit einen wichtigen Beitrag gegen den Fachkräftemangel leisten.»