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Am Vorabend der Bundesratswahl Doch lieber der Unbeliebte als der Unbekannte?

Manche Bunderatswahlen sind gelaufen, bevor sie beginnen. Weil die Ausgangslage so klar ist. Diesmal ist es anders. Das Rennen um den Sitz der Mitte-Partei bleibt auch am Vorabend offen. Dass es morgen überhaupt knapp werden kann, hat sich der ursprüngliche Favorit Markus Ritter weitgehend selbst zuzuschreiben. Ritter war tagelang der wohl beste Wahlhelfer seines Konkurrenten Martin Pfister.

Ausgerechnet der Politfuchs stolpert

Der Bauernpräsident startete laut und selbstbewusst ins Bundesratsrennen, wie man ihn kennt. Doch dann fiel er, der Politfuchs, mit erstaunlichen Fauxpas auf. Da waren die Aussagen über Städter, die angeblich weniger arbeiten würden als Leute auf dem Land. Und über Frauen, für die das Verteidigungsdepartement «schwierig» sei. Damit hat Ritter Parlamentarierinnen abgeschreckt. Deutlich wurde nun auch, wie viele Parlamentarierinnen und Parlamentarier Bauernpräsident Ritter im Verlauf einer Bundeshauskarriere verletzt oder brüskiert hat. Ausserdem dürften seine anfänglich isolationistischen Töne in der Aussenpolitik auch Freisinnige verunsichert haben. 

Der «Anti-Ritter»

Martin Pfister hingegen hat seine Hausaufgaben gemacht und Fehler vermieden: Anfängliche Wissenslücken hat er gestopft. Das nötige Speed-Dating im Bundeshaus hat der anfängliche Aussenseiter aus Zug absolviert. Zwar unterscheiden sich die beiden Mitte-Politiker nicht stark – dennoch hat sich Pfister eine Art Gegenprofil zu Markus Ritter zulegen können: ausgleichender, liberaler, aussenpolitisch offener und (leicht) städtischer als der Bauernpräsident. Martin Pfister dient Linken und grossen Teilen von Mitte und FDP als willkommener «Anti-Ritter».

Wer hat Lust auf Experimente?

Zugespitzt: Der Unbekannte war im Bundesratsrennen auf einmal auf Augenhöhe mit dem für manche Unbeliebten. Doch ob es Martin Pfister bis ins Bundesratszimmer schafft, ist offen. Seine Wahl wäre ein Experiment. Fast 20 Jahre ist es her, seit letztmals ein Mitglied einer Kantonsregierung ohne Bundeshauserfahrung in den Bundesrat gewählt wurde. Viel Zeit für ein sorgfältiges Einarbeiten hätte er nicht. Denn voraussichtlich müsste er das Verteidigungsdepartement übernehmen: ein Krisendepartement, in dem es an allen Ecken und Enden brennt. 

Die Trümpfe von Markus Ritter

Vielleicht erscheint das Experiment manchen Pfister-Sympathisantinnen und Sympathisanten in letzter Sekunde doch noch als zu riskant. Und vielleicht überlegen sich einzelne Linke, ob ihnen der konservativ-ländliche Markus Ritter bei allen Unterschieden mit seiner Durchsetzungskraft nicht doch dienlicher sein könnte als der wirtschaftsliberale Zuger Martin Pfister. Bei der Verteidigung des Service public zum Beispiel.

Die Stimmen der SVP hat Markus Ritter mehrheitlich auf sicher. Hinzu dürften je die Hälfte der Stimmen aus FDP und Mitte-Partei kommen. Und so würden ihm 13 bis 15 Stimmen aus SP, Grünen und Grünliberalen reichen für die Wahl zum Bundesrat. Der ursprüngliche Favorit könnte es trotz Fehltritten knapp ins Ziel schaffen.

Dominik Meier

Bundeshausredaktor

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Seit 2022 ist Dominik Meier Bundeshausredaktor von Radio SRF. Zudem ist der ehemalige «Rundschau»-Moderator Teil des Moderationsteams der «Samstagsrundschau». Bei SRF arbeitete Meier zuvor beim «Regionaljournal Aargau Solothurn» und in der Inlandredaktion von Radio SRF. Meier hat an der Universität Freiburg Geschichte, Politikwissenschaften und Journalistik studiert.

SRF 3, 11.03.2025, 18:13 Uhr

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