Davos war in dieser Woche zum 54. Mal Schauplatz des World Economic Forum (WEF). Für Aufregung hat vor allem der Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski gesorgt. Ob es richtig ist, dass die Schweiz federführend einen Friedensgipfel organisieren soll, sorgte auch in der «Arena» für Gesprächsstoff.
FDP-Nationalrätin Maja Riniker stuft diesen Schritt als Erfolg ein und windet dem Bundesrat ein Kränzchen. Die Aargauerin hält jedoch auch fest, dass es nun mehr als nur Umarmungen zwischen Cassis und Selenski braucht und unbedingt Handlungen folgen müssen.
Ein Friedensgipfel ohne russische Vertretung ist gefährlich.
Auch Priska Seiler Graf zeigt sich erfreut über die Leistung des Bundesrates. Zu den Befürwortern des Friedensgipfels zählt sich auch Alt-Nationalratspräsident Martin Candinas. «Wer, wenn nicht die Schweiz, kann einen Friedensgipfel organisieren?», fragt der Bündner rhetorisch in die Runde. Alle drei sind sich aber auch bewusst, dass dies erst der Anfang eines steinigen Wegs zum Frieden ist. Der neugewählte SVP-Nationalrat Walter Gartmann hingegen stellt fest: «Ein Friedensgipfel ohne russische Vertretung ist gefährlich.»
Uneinigkeit über Neutralitätsdefinition
Bei einem Konflikt gäbe es immer zwei «Streitgüggel». Daher ist für den St. Galler klar, dass beide Parteien an den Tisch gebracht werden müssen, um eine Lösung zu finden. Kopfschütteln erntete Gartmann dafür von Seiler Graf: Gespräche mit Putin seien derzeit illusorisch, sagte die Präsidentin der Sicherheitskommission im Nationalrat.
Die gegenwärtigen geopolitischen Krisen lassen auch die Neutralitätsdebatte neu aufleben. SP-Nationalrätin Seiler Graf betrachtet die Neutralität aus einer aussenpolitischen Perspektive. «Wie wir wahrgenommen werden wollen und was unsere Aufgabe ist, ist das Entscheidende. Neutralität kann kein Selbstzweck sein», verlautet die Zürcherin. Ausserdem habe man die Neutralität schon immer flexibel ausgelegt. Die Meinungen der Polparteien gehen auch in dieser Frage auseinander. Gartmann bezeichnet genau diese Interpretation der Neutralität als falsch.
Wie die Neutralität dauernd angepasst wird, erstaune den St. Galler SVP-Politiker. «Für mich gibt es nur eins; eine immerwährende bewaffnete Neutralität», sagt er. Die Fehler in der Geschichte der Schweizer Neutralität sieht Gartmann in jenen Momenten, in welchen Stellung bezogen wurde.
Neutralität heisst nicht Gleichgültigkeit und Passivität.
Haltung zu zeigen und sich zu positionieren, wird auf der anderen Seite von Martin Candinas goutiert. Dass man sich auf die Seite des Völkerrechts stellt, hält der Mitte-Nationalrat für neutralitätskonform. «Neutralität heisst nicht Gleichgültigkeit und Passivität», bekräftigt Candinas.
Auch Maja Riniker sieht die neutrale Schweiz als eine sich engagierende und differenzierende. Die Neutralität sei nicht dazu da, keine Verantwortung zu übernehmen. Gerade in Anbetracht des Ukrainekrieges, sei es wichtig, die Handhabung der Neutralität zu überdenken. Welche Auslegung der Neutralität in Zukunft die Sicherheit für die Schweiz gewährleistet, ist für die Aargauerin die zentrale Frage. Dazu gehöre auch, dass die Schweiz eine intakte Rüstungsindustrie brauche.