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Armeechef im Interview «Wichtig ist nicht der Dienstgrad, sondern die Persönlichkeit»

Nach dem Rücktritt von Bundesrätin Viola Amherd stellt sich die Frage, wer ihr Amt und damit das Verteidigungsdepartement übernehmen wird. Der Bauernchef Markus Ritter oder der Zuger Regierungsrat und Oberst Martin Pfister? Armeechef Thomas Süssli erklärt im Interview, warum ihm der Dienstgrad egal ist und was der neue Bundesrat mitbringen soll.

Thomas Süssli

Chef der Schweizer Armee

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Der 57-jährige Aargauer ist seit dem 1. Januar 2020 verantwortlich für die Führung der Schweizer Armee. Er leitet den Departementsbereich Verteidigung und untersteht damit direkt der Chefin des Eidgenössischen Departementes für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS), Bundesrätin Viola Amherd.

SRF News: Sind Sie vom Rücktritt von Verteidigungsministerin Viola Amherd auch so überrascht worden, wie der Rest der Schweiz?

Ja, ich wurde auch überrascht. Die Verteidigungsministerin hat mich am Morgen des Rücktritttages persönlich informiert.

Wenn Sie wählen könnten: Hätten Sie als neuen Chef lieber einen Gefreiten, wie Markus Ritter, oder ein Oberst, wie Martin Pfister?

Bei der Armee haben wir andere Wünsche als der Dienstgrad. Wir wollen jemanden, der sich für Sicherheitspolitik interessiert. Der den Kurs weiterverfolgt, die Armee wieder verteidigungsfähig zu machen und der sich für die nötigen Ressourcen einsetzt. Gegen aussen muss er auch mal einen breiten Rücken haben können, weil bei der Armee naturgemäss nicht immer alles ganz rund läuft.

Wichtiger ist die Persönlichkeit und das tiefe Interesse für die Sicherheit der Schweiz.

Kürzlich sagte die Sicherheitspolitikerin Andrea Gmür, eine Vertraute von Viola Amherd, die Armee sei noch immer nicht bereit für eine Frau als Chefin des VBS. Stimmt das?

Nein. Wir haben gut mit Viola Amherd zusammengearbeitet. Das Geschlecht ist kein Nachteil. Wichtiger ist die Persönlichkeit und das tiefe Interesse für die Sicherheit der Schweiz.

Mann in Militäruniform vor Schweizer Flagge.
Legende: Armeechef Thomas Süssli wünscht sich einen Verteidigungsminister, der die Schweizer Armee wieder verteidigungsfähig machen will. Keystone/ Peter Schneider

Der neue Verteidigungsminister wird mit ziemlicher Sicherheit ein Mann sein. Favorit ist Bauernpräsident Markus Ritter, der kürzlich sagte, er wolle in der Armee wieder Ordnung schaffen und aufräumen. Das muss Sie ärgern.

Wer die Armee genau anschaut, sieht die enorme Leistung: Wir machen jedes Jahr fünf Millionen Diensttage, wir bilden jedes Jahr zwanzigtausend Rekrutinnen und Rekruten aus, wir leisten Assistenzdiensteinsätze, wir machen vieles gut und vieles richtig. Und ja, in gewissen Bereichen müssen wir besser hinschauen, das machen wir jetzt auch. Und der neue Bundesrat ist eingeladen, dasselbe zu tun.

Sicherheitspolitik ist ein Mix von Massnahmen – den richtigen Mix zu finden, ist die hohe Kunst.

Markus Ritter sagte auch, die Schweiz soll «möglichst unter dem Radar bleiben», wenn Europa stärker unter Druck kommt, etwa durch die USA. Ist das sicherheitspolitisch schlau?

Neutralität ist in der Schweiz gegeben. Die Armee ist der bewaffnete Teil der Neutralität und wir machen alles, damit wir glaubwürdig darlegen können, dass wir unser Land verteidigen können, wenn wir müssen. 

Aber ein moderner Krieg ist ja nicht mehr nur territorial – da kann sich die Schweiz nicht einfach wegducken, wenn es rundherum zu brodeln beginnt.

Sicherheitspolitik ist ein Mix von Massnahmen – den richtigen Mix zu finden, ist die hohe Kunst. Bis jetzt haben wir es immer geschafft, dass die Schweiz unversehrt bleibt. Das muss auch in Zukunft das Ziel sein.

Wenn unser Heer die Verteidigungsfähigkeit wiedererlangen soll, muss es richtig üben können.

Mit einem Bundesrat Ritter könnten Sie aber wohl die Auslandseinsätze, für die sie so gekämpft haben, gleich wieder abbrechen.

Das werden wir sehen, er hat sich bis jetzt nicht konkret dazu geäussert. Ich glaube, es ist wichtig zu verstehen, dass wir als kleines, dicht überbautes Land, keinen Platz haben für die grossen Militärübungen. Wenn unser Heer aber die Verteidigungsfähigkeit wiedererlangen soll, muss es richtig üben können und dafür sind wir auf das Ausland angewiesen.

Das Gespräch führte Eliane Leiser.

Samstagsrundschau, 08.02.2025, 11:30 Uhr ; 

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