Die Schweizer Armee steckt in einem Liquiditätsengpass bei der Rüstungsbeschaffung und beim Funktionsaufwand für den laufenden Betrieb. Der Chef der Armee, Thomas Süssli, hat am Morgen in der Sicherheitskommission und am Nachmittag vor den Medien Auskunft gegeben.
SRF News: Korpskommandant Süssli, am Samstag haben Sie gesagt, die Armee habe zu wenig Mittel, um allen finanziellen Verpflichtungen nachzukommen. Heute sagen Sie, es gebe kein Finanzloch. Was stimmt jetzt?
Thomas Süssli: Man muss unterscheiden: Man hat einen Liquiditätsengpass, wo es um Investitionen für die Armee geht. Hier gibt es mehr Verpflichtungen als wir Kredite haben. Das zweite war beim Budget, dem Funktionsaufwand, dort nimmt die Verwaltung ihr Geld heraus. Dort fehlte im Budgetprozess etwas und darum haben wir entschieden, einige Grossanlässe nicht durchzuführen.
Aber Sie haben ein Liquiditätsproblem von 1.4 Milliarden Franken, also noch mehr als man bis jetzt gemeint hat. Wie ist das zu erklären?
Der Liquiditätsengpass ergibt sich aus grossen Beschaffungen: neue Kampfflugzeuge, die bodengestützte Luftverteidigung plus Rüstungsprogramme. Das geht zurück bis 2013 und sind kumuliert 11.4 Milliarden. Die Mittel für vier Jahre reichen nicht aus. Darum muss man Beschaffungen nach hinten schieben. Wir haben von 2024 auf 2025 etwa 800 Millionen verschoben, dann werden es 400 und nochmal 200 Millionen sein, bis die Engpässe beseitigt sind.
Die Armee hat einen Plan vorgestellt, wie man die Verteidigungsfähigkeit stärken kann.
Man wusste, es wird eng und neben der Beschaffung der Kampfflugzeuge und der Boden-Luft-Verteidigung gibt es keinen Spielraum mehr. Trotzdem wurden auch 2023 zusätzliche Mittel beantragt. Das wäre eigentlich gar nicht gegangen.
Ja, das Parlament hat 2022 vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs eine Erhöhung des Budgets bis 2030 entschieden. Dann hat man es bis 2035 verzögern müssen. So ist es möglich gewesen, neue Rüstungsprogramme aufzulegen. Die Armee hat letztes Jahr einen machbaren Plan vorgestellt, wie man die Verteidigungsfähigkeit stärken kann und genau darauf ausgerichtet war, wie man mit dem zusätzlichen Budget umgehen wird.
Aber Sie haben Anfang letzten Jahres gewusst, dass die Budgeterhöhung möglicherweise nicht kommt oder verzögert wird. Trotzdem hat man mehr Mittel beantragt. Das ist fast ein bisschen unseriös.
Es sind immer zwei Sachen: Am Schluss muss das Budget auch durch das Parlament. Dort ist der Entscheid erst im Dezember gefallen. Als wir wussten, dass der Entscheid kommen könnte, haben wir schon angefangen, die Liquidität zu planen, mit Lieferanten zu prüfen, wie man das reinbringen kann. Darum sind wir jetzt in der Lage, dass für 2024 alle Rechnungen bezahlt sind und kein Loch besteht.
Wir haben ab Oktober über mögliche Liquiditätsengpässe informiert.
Viele Sicherheitspolitiker haben heute gesagt, sie hätten nichts von diesem Liquiditätsproblem gewusst.
Die Armee informiert immer. Wir haben schon im März 2023 informiert, was passiert, wenn man die Erhöhung von 2030 auf 2035 verschiebt. Es steht auch im Bericht, den die Armee im August 2023 aufgelegt hat. Darin haben wir dargelegt, was das bedeutet und wir haben ab Oktober auch über mögliche Liquiditätsengpässe informiert.
Jetzt verhandeln Sie auch mit Herstellern über die Erstreckung von Zahlungen. Muss man vielleicht sogar Aufträge annullieren?
Vor dieser Aufgabe stehen wir jetzt. Es geht darum, mit Herstellern Lösungen zu finden. Manchmal hilft es, dass Hersteller Verzögerungen haben. Dann zahlen wir erst bei Lieferung. Man kann auch etappieren, das ist eine Möglichkeit und jetzt wird es darum gehen, genau diese Lösungen zu finden.
Das Gespräch führte Andy Müller.