Die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) hat das Rahmenbewilligungsgesuch für den Bau eines Endlagers im Gebiet Nördlich Lägern eingereicht. Nagra-Chef Matthias Braun erklärt, wie Atomabfälle eine Million Jahre sicher gelagert werden sollen – und was passiert, wenn das Projekt politisch scheitert.
SRF News: Das Lager soll in rund 900 Metern Tiefe in einer Schicht des Opalinustons entstehen, die sich gut für den Einschluss solcher Materialien eignet. Im Gesuch wurden nun die Eckwerte definiert. Wie wird es dereinst unter der Erde aussehen?
Wir haben zunächst ein oberirdisches Lager. Dort befinden sich die Zugänge zum Tiefenlager. Im Moment denken wir über Schächte oder Rampen nach, mit denen wir in den Untergrund kommen. In etwa 900 Metern Tiefe wird zunächst ein Zentralbereich gebaut. Darin wird es Fahrzeuge und Werkstätten geben, ähnlich wie in einer Tunnelbaustelle. Wenn wir uns etwas von diesem Zentralbereich entfernen, wird es Pilotlager geben, die gesetzlich vorgeschrieben sind.
Wir werden dort Experimente durchführen, um zu zeigen, dass das Material im Notfall sofort zurückgeholt werden kann. Wenn wir uns noch etwas weiter von den Pilotlagern entfernen, kommen wir zu den eigentlichen Lagern. Auf der einen Seite das Lager für schwach- und mittelaktive Abfälle, und auf der anderen Seite das Lager für hochaktive Abfälle. Aber auch hier gilt: Die Abfälle müssen im Notfall schnell zurückgeholt werden können.
Sie wollen etwas bauen, das eine Million Jahre überdauern soll. Wie soll das gehen?
Ist das nicht faszinierend? Es geht nämlich eigentlich gar nicht. Was wir bauen, wird kaum eine Million Jahre überstehen. Aber wir bauen es ja in ein Gestein hinein. Und auf dieses setzen wir: Dieses wird diesen Zeitraum überdauern, das ist unsere wichtigste Sicherheitsbarriere.
Zurzeit wird in der Schweiz über den Bau neuer Kernkraftwerke diskutiert. Das aktuelle Tiefenlager ist für die Abfälle der bestehenden Kernkraftwerke ausgelegt. Hätten wir überhaupt genügend Platz für die Abfälle von zusätzlichen AKWs?
Das Lager ist tatsächlich für die Abfälle aus den bestehenden Anlagen konzipiert. Solange neue Anlagen gesetzlich verboten sind, können wir diese auch nicht in unser Bauvorhaben einkalkulieren. Ob die Anlage dann tatsächlich zu klein ist, ist schwer zu sagen. Da wir nicht wissen, welche Kraftwerke gebaut werden, wissen wir auch nicht, wie die Abfälle aussehen könnten. Das sind viele Unbekannte, über die wir uns im Moment keine Gedanken machen. Wir konzentrieren uns auf die Abfälle, die wir haben.
Es gibt keinen Plan B. Wenn es nicht klappt, stehen wir wieder am Anfang und die Politik ist gefordert.
Wäre es theoretisch möglich, das Lager nachträglich zu erweitern?
Rein von der Geologie her hätte es noch Platz, der sichere Bereich ist grösser als das geplante Lager. Aber es ist eine sehr hypothetische Frage. Es bräuchte zuerst nicht nur ein neues Bewilligungsverfahren, sondern man müsste grundsätzlich die Gesetze ändern, damit neue Kernkraftwerke überhaupt gebaut werden dürfen. Jede Kernanlage müsste wieder das dreistufige Verfahren durchlaufen.
Zuerst müssen nun die Behörden, der Bundesrat und das Parlament das Projekt prüfen, danach könnte es zu einer Volksabstimmung kommen, diese wäre etwa im Jahr 2031. Gibt es einen Plan B, sollte das Projekt scheitern?
Nein. Wir sind überzeugt, den sichersten Standort gefunden und eine gute Lösung erarbeitet zu haben. Es gibt keinen Plan B. Wenn es nicht klappt, stehen wir wieder am Anfang und die Politik ist gefordert.
Aus dem Tagesgespräch mit Simone Hulliger, Mitarbeit Géraldine Jäggi.