Albert Rösti ist zielstrebig vorgegangen. Aus seiner atomfreundlichen Haltung hat er auch als Bundesrat nie ein Geheimnis gemacht. Die Stopp-Blackout-Initiative hat ihm im zweiten Amtsjahr bereits die Gelegenheit gegeben, die Aufhebung des Neubau-Verbots durch den Bundesrat zu bringen.
Es gibt gute Gründe, die Weichen neu zu stellen. Sieben Jahre nach dem Ja des Volkes zum AKW-Verbot wissen wir: Die Prognosen waren zu rosig. Gaskraftwerke, damals zur Sicherheit angedacht, sind heute ein klimapolitisches «No-Go». Und Pandemie sowie der Ukrainekrieg haben gezeigt: Sich zu stark auf Stromimporte zu verlassen, ist gefährlich. In der Krise nämlich denkt jedes Land zuerst an sich.
Der Bundesrat zweifelt am eigenen Weg
Allerdings hat die Politik bereits reagiert: Vor zwei Monaten hat das Volk einem massiven Ausbau von Wasser-, Sonnen- und Windkraft zugestimmt. Noch bevor die Neuerungen in Kraft treten, lanciert Energieminister Rösti nun die Atomdiskussion und sagt: Es sei auch wegen der vielen Einsprachen offen, ob der Ausbau der Erneuerbaren überhaupt rasch genug möglich sei. Zugespitzt: Der Bundesrat zweifelt an seiner eigenen Abstimmungsvorlage und schlägt die Option Atom vor – quasi als Backup.
Das ist eine Doppelstrategie mit Risiken. Ein neues Kernkraftwerk würde zwar in frühestens 20, manche sagen 30 Jahren, in Betrieb gehen. Folgen kann die Weichenstellung des Bundesrats aber per sofort haben: Solar- und Windkraft-Projekte könnten nun mit Verweis auf ein neues AKW als Alternative noch stärker bekämpft werden.
Politiker schielen auf Subventionstopf
Und rechts der Mitte dürfte die Unterstützung für Sonnen- und Windkraft weiter schwinden. Wie zum Beweis reden rechte Politikerinnen und Politiker bereits davon, den sogenannten Netzzuschlagsfonds anzuzapfen für ein neues Kernkraftwerk. Das ist derjenige Fonds, der für die Förderung von Wasser-, Sonnen- und Windkraft vorgesehen ist.
Die Aussichten zahlreicher Wasser-, Wind- und Solarprojekte sind ungewiss. Mitverantwortlich dafür sind auch Umweltverbände mit ihren Einsprachen. Doch auch die sinkenden Strompreise lassen Investoren zögern. Die neue AKW-Dynamik macht den erneuerbaren Weg noch unsicherer, obwohl es in den kommenden zwei Jahrzehnten schlicht keine Alternative zu Wasser, Sonne und Wind gibt.
Offene Fragen sollten auf den Tisch
Noch sind die Kernkraft-Pläne sehr wolkig. Entscheidende Fragen lässt der Bundesrat offen: Auf welche Technologie würde die Schweiz setzen? Woher kommt das Uran? Wie wird der radioaktive Abfall gelagert? Und vor allem: Welches Preisschild hat ein neues AKW? Der Stromkonzern Axpo, eine mögliche Betreiberin eines neuen AKWs, sagt klipp und klar: Ohne Staatshilfe wäre eine solche Multi-Milliarden-Investition nicht denkbar. Viele Fragen sind offen. Sie sollten jetzt auf den Tisch.