Die Atomkraft spaltet seit Jahrzehnten die Bevölkerung in der Schweiz. Die wichtigsten Ereignisse rund um die Schweizer Atomdebatte im Überblick:
Die Anfänge
21. Januar 1969: In Lucens kommt es fast zur Katastrophe. Im 4000-Seelen-Dorf im Waadtland sollte das erste «Versuchs-AKW» für den definitiven Betrieb hochgefahren werde – ein Reaktor explodierte. Trotz seines Ausmasses fand der Vorfall kaum Beachtung.
1. September 1969: Beznau I, das erste Atomkraftwerk der Schweiz, wird in Betrieb genommen. 1971 folgt Beznau II, 1972 Mühleberg, 1979 Gösgen und 1984 Leibstadt.
1. April 1975: Die Anti-Atom-Bewegung, die sich ab Ende der 1960er-Jahre formierte, erreicht ihren ersten Höhepunkt: In Kaiseraugst kommt es zur elfwöchigen Besetzung des Baugeländes für das geplante Atomkraftwerk.
18. Februar 1979: Eine erste Anti-Atom-Initiative wird an der Urne relativ knapp mit 51.2 Prozent Nein verworfen.
23. September 1984: Die Atominitiative II (keine weiteren AKWs) und die Energie-Initiative werden vom Volk mit 55 respektive 54 Prozent Nein verworfen.
Tschernobyl ändert (fast) alles
26. April 1986: Atomkatastrophe von Tschernobyl (UdSSR/Ukraine)
1988: Angesichts des massiven Widerstands beerdigt der Bund die AKW-Projekte Graben und Kaiseraugst.
23. September 1990: In der eidgenössischen Abstimmung wird die Moratoriumsinitiative für einen zehnjährigen AKW-Baustopp angenommen, die Atom-Ausstiegsinitiative wird verworfen.
22. Oktober 1998: Der Bundesrat spricht sich grundsätzlich für einen «geordneten Rückzug aus der Kernenergie» aus.
Das erste AKW-Comeback
2000: Das Ende des zehnjährigen AKW-Moratoriums und das Inkrafttreten des CO₂-Gesetzes (Senkung des Treibhausgas-Ausstosses bis 2010 um 10 Prozent) geben den Atomkraft-Befürwortern neuen Auftrieb.
1. Februar 2005: Das Kernenergiegesetz tritt in Kraft. Es hält die Option Kernenergie offen und unterstellt neue AKW dem fakultativen Referendum.
Juni/Oktober 2008: Die Energie-Konzerne Alpiq, Axpo und BKW reichen beim Bund Gesuche für die geplanten Ersatz-AKW in Mühleberg BE, Beznau AG und Gösgen SO ein.
Fukushima führt zu Umdenken
11. März 2011: Ein Erdbeben mit Tsunami in Japan beschädigt das Atomkraftwerk Fukushima, es kommt zu grossräumigen Verstrahlungen.
25. Mai 2011: Der Bundesrat spricht sich für einen längerfristigen Atomausstieg aus. Die bestehenden Atomkraftwerke sollen «am Ende ihrer sicherheitstechnischen Betriebsdauer» stillgelegt und nicht ersetzt werden. Das Parlament billigt prinzipiell die Ausstiegspläne.
16. November 2012: Die Grünen reichen ihre Atomausstiegsinitiative ein, die für die AKW maximale Laufzeiten von 45 Jahren fordert.
19. September 2016: Das Parlament verabschiedet das erste Massnahmenpaket zur Energiestrategie 2050, mit dem der Bau neuer AKW verboten und die Förderung erneuerbarer Energien verstärkt wird.
27. November 2016: Das Volk lehnt mit der Atomausstiegsinitiative der Grünen ein fixes Ablaufdatum für die Kernkraftwerke ab.
21. Mai 2017: Das Schweizer Stimmvolk sagt mit 58 Prozent Ja zum revidierten Energiegesetz. Somit ist der Ausstieg aus der Atomenergie sechs Jahre nach der Atomkatastrophe von Fukushima beschlossen.
Ein zweites AKW-Comeback?
28. Juli 2022: Das AKW-Bauverbot soll in der Schweiz aufgehoben werden: Dies fordern Bürgerliche mit einer Initiative «Jederzeit Strom», die auch unter dem Motto «Blackout stoppen» steht.
28. August 2024: Der Bundesrat rüttelt am 2017 beschlossenen Verbot des Baus neuer Atomkraftwerke. Er kündigt an, eine entsprechende Vorlage zu erarbeiten.