Im Kampf gegen den Stau will das eidgenössische Parlament rund 5.3 Milliarden Franken ausgeben – um Autobahnen auszubauen. Nach dem Nationalrat hat dies heute auch der Ständerat beschlossen. Verkehrsminister Albert Rösti nimmt im SRF-Interview Stellung.
SRF News: Wer Strassen sät, wird Verkehr ernten: Wissen Sie, wer das sagte?
Albert Rösti: Es betrifft mich nicht direkt, darum ist es für mich nicht wichtig.
Es war ein ehemaliger europäischer Topmanager aus der Autobranche, Daniel Goeudevert. Wenn er recht hat, würde dies heissen: Wir buttern Milliarden in den Autobahnausbau – und in ein paar Jahren stehen wir wieder im Stau.
Mit dem Programm, das wir dem Parlament vorlegten, betrifft mich das nicht direkt. Denn wir machen nicht neue Strassen, oder Strassen, wo es noch keine Notwendigkeit dafür gibt. Es gibt verschiedene Studien, die sagen, dass eine neue Strasse mehr Verkehr generiert, das will ich gar nicht verneinen. Aber wir bauen dort, wo die Leute heute schon im Stau stehen. 40'000 Staustunden im letzten Jahr, das erträgt die Wirtschaft nicht. Da sind wir der nächsten Generation schuldig, auszubauen.
Wir sind es der nächsten Generation schuldig, auszubauen.
Sogar der liberale Thinktank Avenir Suisse sagt sinngemäss: Egal, wie man die Strassenkapazität erweitert – es müssen nicht unbedingt neue Strassen sein –, man züchtet neuen Verkehr.
Das würde ich in Abrede stellen dort, wo schon Kapazitätsengpässe sind. Der Verkehr ist ja schon da. Die Mobilitätsbedürfnisse im Individualverkehr, also bei den Familien, werden um elf Prozent steigen – und bei den Gütern werden wir rund dreissig Prozent mehr Kapazität brauchen. Darum müssen wir die Strasse, aber auch insbesondere bei der Schiene, ausbauen. Wir haben ein Bevölkerungswachstum.
Wir müssen die Strasse, aber insbesondere auch die Schiene, ausbauen.
Der Verkehr wuchs allerdings stärker als die Bevölkerung oder die Wirtschaft. Ich nenne Ihnen jetzt Ideen, wie man den Verkehr eindämmen oder regulieren könnte. Bitte bewerten Sie sie mit auf einer Skala von 0 bis 10 – 10 bedeutet «Super!» Erste Idee: Mobility Pricing. Bei begehrten Zeiten kostet es mehr.
Da gebe ich nur eine 2 – ich will nicht den ländlichen Raum benachteiligen.
Carpooling: Autobahnspuren reservieren für Autos mit mindestens drei Personen drin.
Da bin ich im Mittelfeld. Eigentlich eine gute Idee – dort, wo man viele Spuren hat. Ich kenne das von Amerika. Ich glaube, das ist noch etwas verfrüht bei uns. Die meisten Autobahnen haben vier Spuren, je zwei, da können wir nicht eine Spur reservieren für das Carpooling.
Mir ist der Zusammenhalt der Schweiz sehr wichtig. Es ist Zufall, wo man aufwächst, ob mitten in Zürich oder zuhinterst im Berner Oberland.
Und noch: Steuerabzüge für Pendlerinnen und Pendler streichen?
Das ist natürlich eine Null. Mir ist der Zusammenhalt der Schweiz sehr wichtig. Es ist Zufall, wo man aufwächst, ob mitten in Zürich oder zuhinterst im Berner Oberland. Ein steuerlicher Ausgleich für die Kosten, die man für den Arbeitsweg hat, ist richtig.
Sie sagten vorher, es brauche auch einen Ausbau der Schiene, und das mache man ja auch. Doch der Bundesrat möchte nächstes Jahr im regionalen Personenverkehr acht Prozent sparen. Beim ÖV spart man, bei den Strassen baut man aus?
Effektiv wird es dann nicht so viel sein im ÖV. Der Bundesrat muss bei den jährlichen, wiederkehrenden Kosten sparen. Man muss unterscheiden zwischen diesen Kosten und den Kosten, wo man in neue Projekte investiert. Und da bauen wir massiv aus.
Zum Schluss: Wenn Sie mit dem Auto irgendwohin wollen, und die App sagt Ihnen: «Stau!» Was machen Sie?
Den gleichen Fehler, den viele machen. Ich probiere, den Stau zu umfahren. Ich weiss, das sollte man nicht. Aber genau darum braucht es Kapazitätserweiterung. Denn die Hauptbelastung der Staus ist in den Dörfern, die dann auch plötzlich Stau und viel zu viel Verkehr haben. Das ist weder ökologisch gut noch von der Verkehrssicherheit her.
Und im Stau drin: fluchen Sie, singen Sie?
Wenn ich schon drin bin, höre ich Musik und singe laut mit. Ich habe die Gelegenheit ja selten, wenn niemand zuhört. Ich höre gerne Schlager.
Helene Fischer?
Ja, ich gehe ans Konzert am Samstag.
Das Gespräch führte Nathalie Christen.