31'109 Neuinfektionen wurden am Mittwochmittag für die Schweiz gemeldet. Über 118’000 Personen befinden sich aktuell in Quarantäne oder in Isolation. Das entspricht etwa der Einwohnerzahl der Städte Luzern und Schaffhausen zusammen.
Alexandra Trkola, Professorin für medizinische Virologie an der Universität Zürich, warnte in der Talksendung «Club» von SRF am Dienstagabend vor einem «Quasi-Lockdown»: Einem Stillstand der Wirtschaft, der nicht vom Bundesrat verordnet wird, aber unkontrolliert abläuft – und auch die Grundversorgung betreffen könnte: «Dann funktioniert überhaupt nichts mehr.»
Forderung nach schlankeren Regeln
Diese Befürchtung teilt auch Monika Rühl. Die Direktorin von Economiesuisse fordert deshalb eine Verkürzung der Quarantäne auf fünf Tage. «In den USA hat man das gemacht und die Erfahrungen sind offenbar positiv», sagte Rühl im «Club».
Seit Wochenbeginn haben alle Kantone, mit Ausnahme des Kantons Aargau, die Empfehlung des BAG umgesetzt und die Dauer der Quarantäne von zehn auf sieben Tage verkürzt. Doch Rühl reicht das nicht: «Muss ein ganzes Arbeitsteam in Quarantäne? Muss die ganze Familie, der ganze Sportclub in Quarantäne?» Hier müsse Klarheit geschaffen werden: «Wir glauben, dass man die Regeln so schlank wie möglich halten sollte. Sonst werden Gesellschaft und Wirtschaft lahmgelegt.»
Wir fragen uns immer wieder: Wie schaffen wir es, dass wir genug Personal haben?
Virologin Alexandra Tkrola leitet ein Diagnostikzentrum, in dem Testproben analysiert werden. Dass sie irgendwann den Betrieb nicht mehr aufrechterhalten könne, sei für sie ein «reales Szenario», sagt sie. «Wir fragen uns immer wieder: Wie schaffen wir es, dass wir genug Personal haben?»
Auch Trkola würde eine Anpassung der Quarantäneregeln unterstützen, um die Infrastruktur aufrechtzuerhalten: «Eine Option wäre, dass man durch einen negativen Test aus der Quarantäne entlassen werden kann – und sich je nach Arbeit vielleicht sogar täglich testen lässt.» Die Frage sei allerdings, ob dafür genügend Testkapazitäten vorhanden seien.
Nur noch für die Arbeit aus der Quarantäne
Ein besonderes Augenmerk liegt auf den Spitälern: Was, wenn die Hospitalisationen stark zunehmen, wie das BAG prognostiziert, und gleichzeitig immer mehr medizinisches Personal ausfällt? Antje Heise ist Präsidentin der Ärztinnen und Ärzte in der Schweizerischen Gesellschaft für Intensivmedizin. Schon jetzt hätten die Spitäler mit Personalmangel zu kämpfen: «Wenn uns noch mehr Personal wegfällt, wird es prekär.»
Im Kanton Bern, wo Heise als leitende Ärztin arbeitet, hätten die Spitäler darum mit der Kantonsärztin eine Vereinbarung getroffen: die sogenannte «soziale Quarantäne». Wird eine bestimmte Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter zwingend gebraucht, kann diese Person von der Kantonsärztin eine Sondergenehmigung erhalten.
Sie darf die Quarantäne jedoch ausschliesslich für die Arbeit verlassen und muss danach direkt wieder nach Hause. In Einzelfällen sei dies eine Lösung. Doch auch die Schweizerische Gesellschaft für Intensivmedizin mache sich stark für eine einheitliche Regelung der Quarantäne: «pragmatische, einfache Regeln, die man versteht und umsetzen kann», so Antje Heise.