Weltweit sorgt man sich vor der neuen Corona-Variante Omikron. Die schottische Regierungschefin sprach nicht mehr von einer Welle, sondern von einem Tsunami, der Grossbritannien überrollt.
Auch in der Schweiz breitet sich Omikron aus. Der Bundesrat hat reagiert, ab Montag gelten verschärfte Corona-Massnahmen. Virologin Isabella Eckerle sieht dies kritisch. 2G oder 2G+ würden bei Omikron keinen grossen Effekt haben.
SRF News: Reichen die neuen Massnahmen aus, um Omikron in Schach zu halten?
Isabella Eckerle: Omikron ist nicht nur ansteckender, sondern leider auch gut darin, Menschen zu infizieren, die bereits eine Immunität haben. Man weiss noch nicht, wie schwer die Immunisierten daran erkranken. Aber sie können das Virus ziemlich gut weitergeben. Deswegen befürchte ich, dass 2G oder 2G+ bei Omikron nicht mehr einen richtigen Effekt haben wird. Es gab kürzlich einen interessanten Fall-Bericht von einer Weihnachtsfeier in Oslo. Die Mehrzahl der Leute war geimpft und hatte im Vorfeld einen Test gemacht. Trotzdem gab es mit Omikron einen Superspreader-Event.
Wir alle hatten gehofft, die massiven Kontakt-Einschränkungen hinter uns lassen zu können.
Müsste man also erneut über einen Shutdown diskutieren?
Wir alle hatten gehofft, die massiven Kontakt-Einschränkungen hinter uns lassen zu können. Omikron mischt die Karten aber nochmals neu. Interessant ist der Blick nach England. Dort sehen wir eine sehr schnelle Ausbreitung durch Omikron; eine sehr kurze Inkubationszeit, sodass viele Menschen in kurzer Zeit krank werden. Was nicht nur dazu führt, dass viele Menschen in die Spitäler kommen, sondern dass in vielen Bereichen Menschen ausfallen, weil sie krank sind und zu Hause bleiben müssen.
Sie haben kürzlich geschrieben, dass Omikron der Schlüssel zu einer endemischen Situation sein könnte. Wie meinen Sie das?
Das Ganze war nicht positiv gemeint. Omikron wird nun die Fakten schaffen, die wir durch die Impfung nicht geschafft haben. Omikron wird wahrscheinlich dafür sorgen, dass es bald keine Immun-Naiven mehr gibt, weil dieses Virus dermassen ansteckend ist. Meine Vermutung ist, dass sich praktisch jeder mit diesem Virus früher oder später anstecken wird, eventuell mit Ausnahme der Geboosterten. So hätten wir alle eine Grundimmunität. Dies wäre der erste Schritt in Richtung einer endemischen Situation; wobei das nicht heisst, dass wir in der endemischen Situation keine Probleme mehr mit dem Virus hätten. Es gibt nach wie vor die Gefahr einer neuen Variante nach Omikron. Und es gibt immer noch das Risiko, dass auch Omikron noch eine gewisse Krankheitslast mit sich bringt, die auch weiterhin das Gesundheitssystem beanspruchen wird, vor allem im Winter. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Influenza, ein endemisches Virus. Auch hier haben wir im Winter ab und an Grippe-Wellen, welche das Gesundheitssystem an ihre Grenzen bringen.
Eine interessante Frage ist, ob die Menschen, welche sich mit Omikron infizieren, auch gegenüber Delta geschützt sind?
Wird die Delta-Welle neben Omikron verschwinden, oder wird es in der Schweiz zwei parallele Wellen geben?
Aktuell sieht es in England und Dänemark danach aus, als würde Delta verdrängt werden. Eine interessante Frage ist, ob die Menschen, welche sich mit Omikron infizieren, auch gegenüber Delta geschützt sind? Hier könnte man annehmen, wenn eine frühere Infektion mit Delta oder einem Virus aus einer früheren Welle nicht gegen Omikron schützt, wäre das auch umgekehrt der Fall. Wenn dies der Fall wäre und Delta noch irgendwo eine Nische findet, in der es überdauern kann, könnte Delta also durchaus nochmals zurückkommen, und die Omikron-Genesenen nochmals infizieren. Das ist allerdings sehr spekulativ.
Das Gespräch führte Simone Hulliger.