«Demokratiedefizit» - dieses Wort geisterte im Juni durch das Basler Parlament. In Basel leben viele Ausländerinnen und Ausländer. Bis in einigen Jahren hat voraussichtlich eine Mehrheit der Erwachsenen keinen Schweizer Pass. Eine Minderheit bestimme dann über eine Mehrheit, hiess es.
Das kantonale Parlament wollte dem entgegenwirken: Es will, dass künftig auch Ausländerinnen und Ausländer mit der Niederlassungsbewilligung abstimmen und wählen dürfen. Ist das Volk einverstanden, wäre Basel-Stadt der erste Deutschschweizer Kanton mit einem Ausländerstimmrecht.
Erfahrungen mit dem Ausländerstimmrecht macht die Romandie schon seit Jahren. In den Kantonen Jura und Neuenburg dürfen Ausländerinnen und Ausländer zur Urne. Auch einige Gemeinden in anderen Westschweizer Kantonen kennen dieses Recht.
Tiefe Stimmbeteiligung, trotz langer Tradition
Das Ausländerstimmrecht habe in Neuenburg eine «lange Tradition», sagt denn auch Steven Russo. Er ist in Neuenburg für Wahlen und Abstimmungen zuständig. «Seit 1849 haben wir es auf Gemeindeebene.»
Von ihrem Recht Gebrauch machen trotzdem nur wenige. «Sie beteiligen sich deutlich seltener als Schweizer Bürgerinnen und Bürger», sagt Steven Russo. «Bei den letzten Kommunalwahlen betrug ihre Wahlbeteiligung 15.7 Prozent. Von den Schweizer Wahlberechtigten gingen aber gut 34 Prozent zur Urne.»
In Genf gibt es grosse Informationskampagnen.
Warum weniger Ausländerinnen und Ausländer zur Urne gehen, kann sich Russo nicht erklären. Eine Antwort parat hat aber SRF-Bundeshausredaktor und ehemaliger Westschweiz-Korrespondent Andreas Stüdli: Die Kantone und Gemeinden gingen unterschiedlich mit dem Ausländerstimmrecht um, sagt er. Das sehe man an Genf.
Dort dürfen Ausländerinnen und Ausländer auf Gemeindeebene mitbestimmen, und das nehme man sehr ernst: «Es gibt grosse Informationskampagnen.» Dazu werden die Ausländerinnen und Ausländer eingeladen. «Da geht ein Regierungsrat dann in einen grossen Saal und informiert.»
Zwar hätten viele Studien ergeben, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Bildungsniveau und der politischen Partizipation gebe. «Ich beobachte aber, dass das aktive Zugehen des Kantons einen grösseren Einfluss hat als der persönliche Hintergrund der einzelnen Personen.»
Dass Ausländerinnen und Ausländer mitbestimmen dürfen, sei in der Westschweiz bestens akzeptiert, sagt Lara Frud, die im Jura für Abstimmungen zuständig ist. «Ich habe keine kontroversen Diskussionen gehört.» Dass Ausländerinnen und Ausländer mitbestimmen dürfen, sei ein Zeichen der Inklusion. Im Jura sei man darauf stolz. Auch Stüdli sagt, dass er die Westschweiz als «deutlich weltoffener» erlebe, wenn es um Fragen zu Ausländerinnen und Ausländern gehe.
Das aktive Wahlrecht ist also unbestritten in der Romandie. Gehts aber drum, ob sich Menschen ohne Schweizer Pass selbst in ein Amt wählen lassen dürfen, ist diese Weltoffenheit verflogen: Im Juni haben die Stimmberechtigten in Genf mit über 60 Prozent Nein gesagt zu einer Ausweitung des Ausländerstimmrechts.