- Hat das Bundesamt für Gesundheit (BAG) bei der Beschaffung von Corona-Impfdosen geschlampt? Die Frage ist letzte Woche aufgetaucht, als es im Ständerat um einen Nachtragskredit ging.
- Das Departement von Gesundheitsminister Alain Berset hat sofort eine Untersuchung eingeleitet.
- Jetzt steht fest: Es sind gleich mehrere Fehler passiert. Die zuständige Finanzkommission des Nationalrats zeigt sich «bestürzt».
Heute Morgen um 6 Uhr ist die Finanzkommission des Nationalrats zu einer ausserordentlichen Sitzung zusammengekommen und hat sich über die neuesten Erkenntnisse der Bundesbehörden in Sachen Impfstoffbeschaffung informieren lassen.
Tatsächlich ist es gleich zu mehreren Versäumnissen gekommen, wie Vizepräsidentin Sarah Wyss von der SP vor den Medien ausführte: «Die Finanzkommission ist ein Stück weit bestürzt und bedauert es massiv, dass es zu Versäumnissen gekommen ist.»
Politisches Veto nicht einkalkuliert
So hat sich der Verdacht erhärtet, dass das BAG Verträge mit Impfstoffherstellern abgeschlossen hat, ohne darin einen Vorbehalt vorzusehen für den Fall, dass der benötigte Kredit vom Parlament nicht bewilligt oder gekürzt werden sollte.
Konkret geht es um den Betrag von 172 Millionen Franken, für die man keine Ausstiegsklauseln habe vorsehen können, schreibt das Gesundheitsdepartement in einem Papier zuhanden der Finanzkommission.
Die Finanzkommission ist ein Stück weit bestürzt und bedauert es massiv, dass es zu Versäumnissen gekommen ist.
«Hier liegt ein ganz klares Versäumnis vor, bei dem das Parlament aussen vor gelassen wurde. Auch wenn es nicht mit Absicht geschah, haben wir hier wenig Handlungsspielraum», sagte Kommissions-Vizepräsidentin Wyss.
Dem Parlament bleibt deshalb gar nichts mehr anderes übrig, als die 172 Millionen Franken für Impfstoffbeschaffungen im laufenden Jahr zu genehmigen. Sonst würde die Schweiz vertragsbrüchig – mit entsprechenden finanziellen Konsequenzen.
Stirnrunzeln ausgelöst hat in der Finanzkommission zudem die Tatsache, dass die Überprüfung übers Wochenende plötzlich deutlich tiefere Kosten für die Impfstoffbeschaffung ergeben hat.
Konkret werden dem Parlament 80 Millionen Franken weniger beantragt als noch letzte Woche. So habe man «fälschlicherweise» bereits bezahlte Reservationsgebühren für Impfstoffe aus dem Jahr 2021 noch einmal beantragt, schreibt das Departement Berset.
Müssen Verträge neu ausgehandelt werden?
Und noch in einem weiteren Punkt herrscht jetzt Klarheit. Die vertraglich vereinbarten Liefermengen für Impfstoffe für das nächste Jahr können vom Parlament nicht mehr angepasst werden. Tut es das Parlament trotzdem, fallen die Verträge mit den beiden Impfstoffherstellern dahin.
Der Nationalrat liess es heute Nachmittag trotz Antrag der Mehrheit der Finanzkommission, den Kredit um gut 100 Millionen zusammenzustreichen, aber nicht so weit kommen. Er bewilligte die vom Bundesrat beantragten Beträge sowohl für 2022 wie für 2023 und wollte auch von den Kürzungen des Ständerats nichts wissen. Damit stützte er die bundesrätliche Strategie, bei den Impfbestellungen lieber auf der sicheren Seite zu sein.
Bislang habe man keine Anzeichen, dass das Parlament absichtlich umgangen worden sei, hält die Kommissions-Vizepräsidentin fest. Gleichzeitig verweist sie aber auf die von Bundesrat Berset eingeleitete Administrativuntersuchung, deren Ergebnisse im August vorliegen sollen.
Erst dann werde man alle Fakten auf dem Tisch haben. Für den Moment sagt Wyss nur: «Wir sind dankbar, dass jetzt aufgeklärt wurde und erwarten, dass so etwas nie mehr vorkommt.»