In den letzten Wochen stiegen die Corona-Fallzahlen, und nun steht der Herbst vor der Tür: Mit dem Schulbeginn und den kälteren Temperaturen halten sich die Menschen wieder vermehrt in Innenräumen auf – das Infektionsrisiko dürfte weiter steigen. Vor diesem Hintergrund informierten die Experten des Bundes vor den Medien in Bern.
Die epidemiologische Lage: «Grundsätzlich muss die Situation als ungünstig und bis zu einem gewissen Grad als besorgniserregend eingeschätzt werden», sagt Patrick Mathys, Leiter Sektion Krisenbewältigung und internationale Zusammenarbeit des BAG. «Wir können von einer vierten Welle sprechen.» Diese habe zunächst bei jungen, mobilen Menschen eingesetzt und erfasse nun auch ältere Menschen.
Die Lage auf den Intensivstationen bezeichnete Mathys als angespannt. «Wir nähern uns dem Niveau an, wie wir es im Frühling während der dritten Welle erlebt haben.» In Sachen Todesfälle habe sich nicht viel verändert. Man sei auf einem tiefen Niveau. Es gebe hier keine Anzeichen für eine Trendwende.
Die Impfung schützt vor Hospitalisierungen: Die Impfung schütze weiterhin zu etwa 90 Prozent vor einer Hospitalisierung, erklärte der BAG-Vertreter und sprach von einer «Epidemie der Ungeimpften». Etwa 9 von 10 der hospitalisierten Personen seien nicht geimpft. Gerade auch junge Menschen seien nun aufgerufen, sich zu impfen. «Noch ist der Anteil der nicht immunen Bevölkerung viel zu gross, um eine neue Infektionswelle zu verhindern», so Mathys.
Impfung für Jugendliche empfohlen: Die jüngsten Studien würden keinen Anlass zu Bedenken geben: Das BAG empfiehlt allen Jugendlichen ab 12 Jahren, sich impfen zu lassen. Die Nebenwirkungen seien bei den Impfstoffen bei Jugendlichen ähnlich wie bei den Erwachsenen – dies zeigten die jüngsten Studien, erklärte Christoph Berger, Präsident der Eidgenössischen Kommission für Impffragen (EKIF).
Die Anpassung der Impf-Empfehlung ab 12 Jahren erfolge aufgrund der epidemiologischen Lage und der jüngsten Erkenntnisse. «Es ist wichtig, dass die Schulen offen bleiben», erklärte Berger. Neu wird auch allen schwangeren Frauen die Impfungen empfohlen. Die neusten Studien würden keine anderen Wirkungen nachweisen als bei nicht schwangeren Frauen.
Dritte Impf-Dosis für Immunsupprimierte: Die Impfung mit zwei Dosen schütze gut, so Berger. Eine allfällige Auffrischungsimpfung – also eine dritte Impfdosis – solle das Ziel verfolgen, schwere Verläufe auch weiterhin zu verhindern. Eine zusätzliche Dosis empfehle man nun immunsupprimierten Patientinnen und Patienten, da diese weniger gut auf die Covid-19-Impfstoffe ansprechen. Ob auch Betagte eine dritte Dosis brauchen werden, sei aktuell noch nicht klar. Die Daten würden laufend evaluiert.
Vermehrt Jüngere hospitalisiert: Stark vertreten unter den Hospitalisierten seien Ferienrückkehrer und sehr wenige Geimpfte, erklärte auch Rudolf Hauri, Präsident der Vereinigung der Kantonsärztinnen und Kantonsarzte. Eine Corona-Infektion stelle für Ungeimpfte das grösste Risiko dar, bestätigte Urs Karrer, Vizepräsident der wissenschaftlichen Corona-Taskforce des Bundes. Mit der Delta-Variante habe sich das Risiko für eine Hospitalisation für Menschen zwischen 35 und 45 «verdreifacht».
Karrer arbeitet am Kantonsspital in Winterthur. Im 500-Betten-Spital habe es Mitte Juli zwei bis drei Corona-Patienten gegeben, unterdessen seien es schon über 20. Im Unterschied zum letzten Jahr komme die Welle «zwei Monate früher» und die Patienten seien «bedeutend jünger».