Ein Industriegelände in Kloten, Lieferwagen kommen und gehen. Auf den ersten Blick ein normaler Warenumschlagplatz. Doch der Stacheldraht rundherum und die vielen Überwachungskameras verraten: Hier werden keine Lebensmittel oder Möbel transportiert.
Wir sind bei Loomis, einer der wichtigsten Geldtransportfirmen der Schweiz. Vor dem Haupteingang warten zwei Fahrer, beide mit Pistole am Gurt. Ihnen dürfen wir beim Auffüllen eines Geldautomaten über die Schultern schauen.
Die Männer sind nervös – nicht wegen des Geldtransportes, sondern weil sie begleitet werden. Denn: Geheimhaltung ist in diesem Geschäft elementar, der Sicherheit zuliebe. Darum müssen Livio und Dino jedes Wort, das sie gegen aussen tragen, sorgfältig abwägen. Dazu gehört auch, dass sie ihre Nachnamen nicht sagen und sich nicht fotografieren lassen. Nur eines sei verraten: Ins Fitnessstudio gehen beide.
Mit einer Farbpatrone gesichert
Doch nun geht es los: Auf dem Parkplatz, nicht weit vom Hauptgebäude, steht der Lieferwagen, der heute zum Einsatz kommt. Dino kontrolliert ihn von aussen, Pneus, Türen, Untergrund. «Sieht gut aus», sagt er und steigt zusammen mit Livio ein.
Als Erstes holen die Männer das Geld für die Automatenbefüllung ab. Weit ist es nicht: Die Tresor-Abteilung von Loomis befindet sich auf dem Firmengelände selbst.
Damit die Fahrer dort hineinkommen, müssen sie mit dem Lieferwagen mehrere Schleusen passieren. Schliesslich gelangen sie zu einem Schalter, wo sie das Geld in Empfang nehmen: mehrere Notenbündel in einer Plastiktüte verpackt. Grössere Liefermengen befinden sich in Kisten.
Sind sich Livio und Dino nach mehreren Jahren im Geldtransportgeschäft überhaupt noch bewusst, welch kostbare Fracht sie hier herumfugen? «Einerseits ist es besser, nicht zu sehr über das Geld nachzudenken, damit man sich nicht verlockt fühlt», sagt Dino. «Andererseits muss man den Wert der Ware kennen, weil die Lieferung – je nach Fahrzeug – ein gewisses Mass nicht übersteigen darf.»
Besser nicht zu sehr über das Geld nachdenken, damit man sich nicht verlockt fühlt.
Nach der Übergabe packt Livio das Geld in einen gepanzerten Metallkoffer und aktiviert den Alarm. Falls der Koffer unterwegs gestohlen wird, explodiert eine Farbpatrone. Das Geld wird eingefärbt und ist nicht mehr brauchbar.
Von Überfällen und Sprengungen
Nun geht es raus aus der Tresor-Abteilung, erneut durch mehrere Schleusen – auf direktem Weg zum Geldautomaten, irgendwo im Raum Zürich. Die Männer parkieren, Livio trägt den Koffer zum Automaten.
Dann geht die Befüllung los: Automat aufschliessen, Restnotenbestand zählen, sämtliche Notenschubladen wieder bis oben auffüllen, abschliessen, fertig. Das Credo: so schnell wie möglich, aber auch so sorgfältig wie möglich.
Die Befüllung ist der heikelste Moment des Transports, weil das Geld physisch greifbar ist. Überfälle gibt es immer wieder. Was jedoch deutlich mehr passiert, sind Sprengungen. 2023 wurden in der Schweiz über 20 Geldautomaten gesprengt. Für Loomis bedeuten solche Ereignisse vor allem mehr Aufwand, weil sie oftmals Anpassungen oder neue Sicherheitsvorschriften nach sich ziehen.
Privat sprechen Dino und Livio selten über ihre Arbeit. «Bei mir wissen nur die engsten Leute, wo ich arbeite», sagt Livio. Denn letztlich geht es bei der ganzen Geheimhaltung nicht nur um die Sicherheit des Geldes, sondern genauso um die der Mitarbeitenden.