Der Präsident des Schweizer Bauernverbands, Markus Ritter, will von den versammelten Landwirten in Bern wissen: «Ist das Glas halb voll oder ist es halb leer?»
Viele der anwesenden Delegierten des Schweizer Bauernverbands sehen das Glas eher halb leer. Sie denken an die geplanten Sparmassnahmen des Bundesrates im Agrarbudget. Sie sprechen von «harten Kürzungen», von «mehr Auflagen» oder «ausgereizter finanzieller Lage».
Mehr Einfluss in der neuen Legislatur
Und doch gäbe es für die Bauern durchaus Gründe, das Glas halb voll zu sehen: Die Finanzkommission des Nationalrats hat letzte Woche diverse Sparvorschläge des Bundesrats rückgängig gemacht. Es ist das jüngste Beispiel für den Einfluss der Bauernlobby im Bundeshaus. Und es wird nicht das letzte sein.
Verbandspräsident Ritter glaubt, dass ihr Einfluss mit den Wahlen nochmals gewachsen ist, schliesslich sei die Konferenz der bäuerlichen Parlamentarier von 30 auf rund 40 angewachsen. Dieser Zusammenschluss ist zentral im Machtapparat der Bauern im Bundeshaus.
Nicht alle Bauern sind willkommen
Die Einladungen verschickt der Bauernverband jeweils anfangs Legislatur – an auserlesene Nationalräte und Ständerätinnen. Ritter schaut dabei, dass Einigkeit herrscht in den eigenen Reihen. Deswegen hat diesmal Grünen-Nationalrat und Biobauer Kilian Baumann keine Einladung mehr erhalten.
«Man versucht, intern die Reihen zu schliessen», sagt Baumann. Denn es sei sehr wichtig für die Agrarlobby, mit einer Stimme zu sprechen. «So hat die Bevölkerung das Gefühl, das sei die Meinung der Bauern.»
Es ist von höchster Bedeutung, dass Sie mit Ihren Ständeräten bis Samstagabend Kontakt aufnehmen!
Neben Organisation und Einigkeit brauche es aber auch gute Deals mit anderen Wirtschaftsvertretern im Parlament. Und die gelingen, weil die Landwirtschaft mit vielen weiteren Branchen verstrickt ist, die indirekt ebenfalls von den staatlichen Investitionen in die Landwirtschaft profitieren.
Baumann nennt dies «Speckgürtel» und meint damit «Baufirmen, Landmaschinenhändler oder Saatgut- und Pestizidverkäufer». Hinzu kommt, dass die Bauernlobby in allen Fraktionen Vertreterinnen und Vertreter hat.
Befürchtungen auf der linken Seite
Die erstarkte Bauernlobby im Parlament bereitet SP-Nationalrätin und Finanzpolitikerin Sarah Wyss Sorgen. Das Budget werde enger in den nächsten Jahren, und irgendwo müsse man sparen. Da sei eine starke Lobby, wie jene der Bauern, sicher im Vorteil – etwa gegenüber der Entwicklungshilfe.
Bereits hat die Finanzkommission des Nationalrats letzte Woche die Prioritäten bei der Landwirtschaft gesetzt. Und nächste Woche äussert sich in der Wintersession das Parlament dazu.
Bauernverbandspräsident Ritter nutzte die Delegiertenversammlung denn auch für einen Aufruf: «Es ist von höchster Bedeutung, dass Sie mit Ihren Ständeräten bis Samstagabend Kontakt aufnehmen!» Am Sonntag, so Ritter weiter, würde er sie allerdings in Ruhe lassen.
Wie viel Einfluss die Landwirtschatsbranche damit auf die Entscheide im Parlament nehmen kann zeigt sich kommende Woche bei den Diskussionen zum Finanzplan.