Das Wichtigste in Kürze
- Die Schweiz emittiert europaweit am zweitmeisten Ammoniak pro Fläche. Fast doppelt so viel, wie gesetzlich erlaubt.
- Ammoniak entweicht aus der Gülle in die Luft und bildet Feinstaub. Dieser verursacht Atemwegs- und Lungenkrankheiten.
- Ammoniak überdüngt Ried- und Moorlandschafen und schädigt auch den Wald.
- Zur Reduktion müssten die hierzulande hohen Tierbestände massiv reduziert werden. Doch das können sich viele Bauern nicht vorstellen.
Die Schweizer Landwirtschaft ist ein wichtiger Verursacher von Feinstaub. Ein Fakt, der so kaum bekannt ist. «Ammoniakemissionen aus der Landwirtschaft tragen rund ein Viertel bis zu einem Drittel an der Feinstaubmasse bei», bestätigt Christine Zundel vom Bundesamt für Landwirtschaft.
Feinstaub belastet Gesundheut stark
Wissenschaftler des deutschen Max-Planck-Institutes sagen es in einer Studie aus dem Jahr 2017 noch deutlicher: Eine Halbierung der landwirtschaftlichen Ammoniak-Emissionen in Europa würden 50'000 Todesfälle verhindern.
Für Constantin Siegenthaler ist das allerdings keine Neuigkeit. Er leidet an der Lungenkrankheit COPD. Jetzt in der Zeit, wo Bauern ihre Gülle ausbringen, hat er besonders Mühe mit Atmen.
«Wenn der Bauer nebenan beginnt zu güllen, spüre ich das sofort. Nicht nur vom Geruch her, sondern auch beim Atmen in der Lunge. Es ist, wie wenn ich in der Luftröhre einen Keil drin hätte der mich hindert normal zu atmen.»
Erhöhtes Risiko für Windwurf im Wald
Ammoniak schädigt auch sensible Ökosysteme. Hohe Ammoniak-Konzentrationen in der Luft überdüngen Ried- und Moorlandschaften und zerstören sie langfristig.
Ammoniak schwächt die Gesundheit der Bäume im Wald. Über den Regen gelangt der Ammoniak-Stickstoff in den Boden, versauert diesen und hemmt das Wurzelwachstum der Bäume. Die Folge: Die Bäume mit kleinen Wurzeln können bei Sturm kippen. In der Fachsprache Windwurf genannt.
Sabine Braun vom Institut für angewandte Pflanzenbiologie untersucht den Schweizer Wald seit über 30 Jahren wissenschaftlich. Ihre Resultate zum Ammoniak-Problem: «Wir haben festgestellt, dass auf Böden, die mit Ammoniak versauert sind, Bäume viermal häufiger kippen als auf nicht versauerten Böden.»
Dabei handelt es sich nicht um ein lokal begrenztes Problem: Bei einem Viertel aller Waldflächen ist das Risiko für Windwurf erhöht.
Trotz Bundesgelder: Ammoniak-Konzentration bleibt hoch
Die Schweizer Landwirtschaft emittiert fast doppelt so viel Ammoniak wie erlaubt. In den letzten 20 Jahren sind die Emissionen kaum gesunken, trotz massiver finanzieller Unterstützung des Bundes und der Kantone von Ammoniak-reduzierenden Massnahmen.
Die Bauern haben schon viel für die Reduktion der Ammoniak-Emissionen getan.
Im Gegensatz dazu konnten die Feinstaub-bildenden Abgase NOx und SO2 aus Verkehr und Industrie in der gleichen Zeit massiv gesenkt werden.
Jakob Lütolf, Präsident des Luzerner Bäuerinnen- und Bauernverbandes, sagt, die Bauern seien sich des Problems bewusst. Sie hätten auch schon viel für die Reduktion der Ammoniak-Emissionen getan. Aber Massnahmen zur Förderung des Tierwohls, also das Bauen von Freilaufställen und offenen Stallsystemen, hätten die gemachten Fortschritte der Bauern zunichtegemacht. Dies weil aus offenen Ställen mehr Ammoniak entweicht. Tierwohl kontra Ammoniak: ein Dilemma.
Tierbestände müssten reduziert werden
Der Bund will die Ammoniakemissionen schon seit Jahren senken. Um die Grenzwerte für Luftqualität einzuhalten, hat er Höchstmengen für Luftschadstoffe festgelegt. Für Ammoniak-Stickstoff aus der Landwirtschaft beträgt diese 30'000 Tonnen pro Jahr. Um auf diesen Wert herunterzukommen, müsste die Landwirtschaft einschneidende Massnahmen treffen.
Fachleute sind sich einig. Nur mit technischen Verbesserungen erreichen die Bauern das Ziel nicht. Eine Reduktion des hohen Tierbestandes sei unumgänglich.
Kanton Luzern: Tierbestand nimmt weiter zu
Doch damit tun sich gerade Bauern in Kantonen mit hohen Tierbeständen wie dem Kanton Luzern schwer. Der höchste Luzerner Bauer Jakob Lütolf: «Aus den Augen aus dem Sinn: Das ist für uns kein Weg. Wenn wir weniger Fleisch produzieren, müssen wir mehr importieren, somit verlagern wir einfach das Problem.»
Von einer Reduktion des Tierbestandes wollen Luzerner Bauern tatsächlich nichts wissen. Trotz Ammoniak-Problematik haben sie ihren heute schon hohen Tierbestand sogar noch erhöht. Ein Blick in die Statistik belegt: In den letzten zwölf Jahren hat der Rindviehbestand im Kanton um drei Prozent zugenommen, der Schweinebestand um ein Prozent und der Geflügelbestand sogar um mehr als 30 Prozent.
Luzerner Regierungsrat: Massnahmen blieben wirkungslos
Den Vorwurf, die Behörden würden die Bauern mehr schützen als die Umwelt, will Robert Küng jedoch nicht gelten lassen. Der Luzerner Regierungsrat und Vorsteher des Umweltdepartementes räumt im Interview mit «Kassensturz» aber ein: Die bisherigen Massnahmen zur Ammoniak-Verminderung hätten nicht die erhoffte Wirkung erzielt. Küng betont, man habe die Landwirtschaft für das Thema jedoch «sensibilisiert». Und dass man über weitere Massnahmen nachdenke – unter anderem auch zusammen mit Umweltverbänden.
Auf die Frage, warum Luzern nicht mehr unternehme, damit der Tierbestand nicht weiter wächst, meint Küng: «Wir haben ausser bei den Hühnern einen stabilen Tierbestand.» Er schliesse aber nicht aus, dass man über eine Bestandes-Reduktion reden werde. «Wir sind gewillt, die Emissionen zu senken.» Welches aber die geeignete Massnahmen dazu sind, das sei für ihn heute noch völlig offen. Und seine ernüchternde Prognose: «Es wird eine Generation dauern, bis man die Problematik im Kanton Luzern vollständig im Griff hat». Man werde aber das möglichste unternehmen, das Ziel zu erreichen. Ob man das auch erreichen werde, könne er aber nicht versprechen.