Es sind Fälle, die betroffen machen. Ein schwarzes Mädchen sitzt im Schulzimmer, plötzlich stimmt die halbe Klasse ein rassistisches Lied an. Andernorts passiert es in der Turnstunde: Schwarze Schülerinnen und Schüler werden im Geräteraum eingesperrt – draussen stehen ihre Gspänli und decken sie mit übelsten Beleidigungen ein. In einem weiteren Fall verlagert sich der Hass in einen Gruppenchat: Dort wird ein elfjähriger Junge zur Zielscheibe seiner Schulkameraden, erhält verstörende Bilder und wird mit dem N-Wort angesprochen.
Gerade die Schule sollte der Ort sein, an dem Kinder und Jugendliche vor jeglicher Diskriminierung geschützt sind.
Letztes Jahr sind zum ersten Mal mehr rassistische Vorfälle an Schweizer Schulen als am Arbeitsplatz gemeldet worden. Das zeigt der aktuelle Rassismusbericht.
Eine bedenkliche Entwicklung, wie Ursula Schneider Schüttel festhält. Sie ist Präsidentin der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus. «Denn gerade die Schule sollte der Ort sein, an dem Kinder und Jugendliche vor jeglicher Diskriminierung geschützt sind.»
Die Erfahrungen der betroffenen Kinder und Jugendlichen erschüttern. Doch was kann man tun, wenn Schülerinnen und Schüler rassistischen Anfeindungen ausgesetzt sind? Was soll ein betroffener Schüler tun oder eine Lehrerin, die etwas beobachtet?
Die Schule, in der schwarze Schülerinnen und Schüler im Geräteraum eingesperrt wurden, reagierte sofort: Sie suspendierte die Täterinnen und Täter für zwei Tage und suchte das Gespräch mit den Eltern. Trotzdem sei die Schulleitung über die fehlende Einsicht besorgt gewesen – und die betroffenen Schülerinnen und Schüler hätten berichtet, dass rassistische Äusserungen und Übergriffe zu ihrem Alltag gehörten. Für diese akute Situation habe eine Beratungsstelle externe Bildungsangebote empfohlen.
Genau das macht die Anti-Rassismus-Trainerin Anja Glover. Sie wird als externe Beraterin in Schulen eingeladen, spricht dort mit den Klassen über Rassismus und klärt auf. «Als schwarze Frau wurde ich selbst früh mit Rassismus konfrontiert», schildert Glover. Das habe dazu geführt, dass sie sich eingehend mit dem Thema beschäftigt und den Willen entwickelt habe, etwas gegen Rassismus zu unternehmen.
Wo beginnt Rassismus?
Auf dem Pausenplatz kann ein rauer Umgangston herrschen. Suchen sich Kinder und Jugendliche nicht einfach das erstbeste Merkmal heraus, wenn sie Mitschüler attackieren? Verfolgen sie tatsächlich eine «rassistische» Absicht? Für Glover ist sekundär, welche Motivation dahinter steckt: «Es geht nicht wirklich um die Intention. Denn der Schaden, der angerichtet wird, ist derselbe.»
Wie gross dieser Schaden sein kann, weiss Gina Vega, die am Rassismusbericht mitgearbeitet hat. «Der Selbstwert und das Selbstbewusstsein der Betroffenen werden beeinträchtigt. Sie verlieren die Motivation, in die Schule zu gehen und zu lernen.»
In ihrer Arbeit mit Kindern und Jugendlichen macht Glover sehr positive Erfahrungen. «Nach dem Workshop wollen sie selbst mit daran arbeiten, Rassismus zu erkennen.» Es gehe nicht einfach darum, dass man gewisse Dinge «nicht sagt». Vielmehr gehe es darum, zu verstehen, woher Rassismus kommt und wie er erlernt wird. Und auch bewusst wieder «verlernt» werden kann.
Das Fazit der Coachin: Kinder und Jugendliche haben Rassismus nicht erfunden. Sie sind in eine Welt hineingeboren worden, die rassistische Strukturen hat. Und wer das Thema mit Kindern und Jugendlichen offen angehe, könne viel bewirken. Der Hebel sei riesig.
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