Sie schlafen, leben und betteln auf der Strasse – Bettlerinnen und Bettler aus Ost- und Mitteleuropa. Wer sie sind und weshalb sie sich auf den Weg in die Schweiz machen, untersucht derzeit die Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW).
Früher haben vor allem organisierte Roma-Gruppen aus Rumänien gebettelt, heute sind es einzelne Menschen aus vielen Ländern Osteuropas.
Für die nationale Studie zuständig ist Zsolt Temesvary. Und obwohl sie noch nicht abgeschlossen ist, hat er bereits erste Resultate zusammentragen können. Temesvary und sein Team haben mit mehr als 40 obdachlosen Bettlerinnen und Bettlern Interviews geführt. Wie viele sich jeweils in der Region aufhalten, sei schwer zu beziffern, sagt Temesvary. Die Polizei schätzt die Zahl alleine in Basel auf bis zu 70 Personen.
Kaum organisierte Gruppen
«Die Menschen, die derzeit in die Schweiz betteln kommen, sind nicht mehr dieselben, wie noch vor wenigen Jahren», sagt Zsolt Temesvary. «Früher haben vor allem organisierte Roma-Gruppen aus Rumänien gebettelt, heute sind es einzelne Menschen aus vielen Ländern Osteuropas.»
Weshalb das so sei, könne er nicht sagen. Klar sei aber, dass sie sich anders verhalten würden als die grösseren Gruppen, die zuvor in der Schweiz waren; sie betteln nicht nur im Zentrum, sondern auch in den Aussenquartieren.
Obdachlose wie Grenzgänger
Bettlerinnen und Bettler haben ihr Verhalten angepasst. Sie würden weniger in der Stadt Basel übernachten, sondern die Tramlinien über die Grenze ins nahe Ausland nutzen, sagt Temesvary. «Sie verhalten sich wie Grenzgängerinnen oder Einkaufstouristen und fahren mit den Linien 3 und 8 nach Frankreich und Deutschland. Ihre Decken und Matratzen, die sie in der Stadt deponieren, räumt die Stadtreinigung regelmässig zusammen.» Dies sei im grenznahen Ausland nicht so. Dies sei der Grund, wieso nicht mehr ganze Gruppen Obdachloser bei Kirchen oder unter Bäumen in Pärken übernachten würden.
Dass die obdachlosen Bettlerinnen und Bettler tagsüber trotzdem in die Schweiz kommen, habe wohl mit den besseren Bedingungen zu tun, sprich mit besseren Möglichkeiten Geld zu verdienen, auch wenn die Bedingungen sonst prekär seien, sagt Temesvary. «Im angrenzenden Ausland stellen die Bettlerinnen und Bettler Zelte auf und können sich besser organisieren.»
Zsolt Temesvy will seine Studie weiterführen und herausfinden, weshalb sich die Leute überhaupt auf den Weg machen und ihr Zuhause verlassen. Viele hätten nämlich eine Existenz in ihrer Heimat, wenn auch eine bescheidene, erzählt er. «Wahrscheinlich gehts ihnen dennoch so schlecht zu Hause, dass das Leben auf der Strasse in und um die Schweiz besser ist.» Abschliessend könne er dies jedoch erst nach Abschluss der Studie sagen.
Auffallend ist auch, dass die Bettelnden, die sich derzeit in der Schweiz aufhalten, verschiedene Sprachen sprechen, unter anderem auch Deutsch. Dies, so Temesvary, weil sie eben nicht nur in die Schweiz kämen, um Geld zu betteln, sondern vorher schon in Deutschland und Österreich ihr Glück versucht hätten.
Frei von Restriktionen sind die Bettlerinnen und Bettler in Basel aber auch dann nicht, wenn sie die Nächte ausserhalb der Schweiz verbringen. Seit Einführung des neuen Bettelverbots vor einem Jahr hat die Basler Polizei etwa 380 Bussen verteilt. Die meisten seien nicht bezahlt worden, so die Polizei.