Eine Studie – das sogenannte Schulbarometer – hat untersucht, was die Schulschliessungen wegen des Coronavirus mittel- und längerfristig bewirkt haben. Stephan Huber ist Professor an der Pädagogischen Hochschule Zug. Er hat die Studie mitverfasst.
SRF News: Was sind die wichtigsten Erkenntnisse in Bezug auf das Lernverhalten der Schülerinnen und Schüler?
Stephan Huber: Wir sehen, dass wir unterschiedliche Qualitäten vor Corona hatten und dass diese sich stärker gezeigt haben. Und über die Zeit sind diese Unterschiede grösser geworden. Bei den Schülern gehen wir davon aus, dass ungefähr ein Drittel der Schüler wenig oder fast nichts gelernt haben.
Ein anderes Drittel hat 25 Stunden und mehr gearbeitet und war insgesamt aktiver. Es gibt Lehrpersonen, die haben in ihren Klassen mehr von diesen Schülern. Es gibt Schulen, die sind in der Coronazeit stärker gefordert, und jetzt auch.
Es gibt aber viele Situationen, die von Familienproblemen und Überforderung belastet waren.
Bezogen auf die Schweiz: Wie viele Schüler haben während der Coronakrise nichts gelernt?
In den verschiedenen Kantonen, die wir befragt haben, gehen wir davon aus, dass es auch ungefähr ein Drittel der Schüler ist, die wenig gelernt haben. Das ist mit Sicherheit etwas unterschiedlich, von Klasse zu Klasse und von Schule zu Schule. Aber die grossen Unterschiede gibt es nicht nur hinsichtlich des Lernens, sondern auch darin, was die Schülerinnen und Schüler daheim erlebt haben.
Wenn man die Schüler emotional und motivationsmässig erreicht und mit ihnen im Austausch steht, hat das einen sehr positiven Einfluss darauf, ob sie lernen und ob sie sich beim Lernen als erfolgreich erleben.
Teilweise lebten sie in gut aufgestellten Familien. Da gab es viel Aktivität, viel Unterstützung durch Geschwister und Eltern. Es gab aber viele Situationen, die von Familienproblemen und Überforderung belastet waren. Viele Eltern waren in den letzten Monaten wirklich sehr gefordert. Und diese Stimmungen wirken sich auf die Schülerinnen und Schüler aus.
Lesen Sie selbst:
Sie sagen, etwa ein Drittel der Schüler habe wenig bis nichts gelernt in dieser Zeit. Was haben die denn gemacht?
Es sind vielleicht 20 Prozent der Schüler, die nichts gelernt haben und insgesamt rund ein Drittel, die nur wenig gelernt haben. Sie waren insgesamt weniger aktiv, haben weniger gespielt, machten weniger Sport und haben weniger im Haushalt geholfen. Das, was sie mehr gemacht haben, nämlich viermal so viel wie die andere Extrem-Gruppe, waren Computerspiele. Sie haben eher abgehängt, kamen morgens nicht aus dem Bett und konnten ihren Tag nicht strukturieren. Das, was sie interessiert hat, waren Computerspiele.
Was sagt das aus?
Schüler, die sich selbst gut organisieren können und auch eine gewisse Selbstdisziplin haben, können in solchen digitalen Lernformen ihren Rhythmus selbst bestimmen. Sie können mal bei einem Thema bleiben, das Thema vertiefen und ein anderes Thema vielleicht schneller erarbeiten. Das führt dazu, dass solche Lernprozesse stärker personalisiert und individualisiert sind. Und wenn man die Schüler emotional erreicht, sie motivieren kann und mit ihnen im Austausch steht, hat das einen sehr positiven Einfluss darauf, ob sie lernen und ob sie sich beim Lernen als erfolgreich erleben.
Das Gespräch führte Noemi Ackermann.