Zur Berufsmaturität gibt es in der Schweiz zwei Wege. Man kann sie direkt nach der Lehre en bloc oder während der Lehre mit zusätzlichen Kursen in der Berufsfachschule absolvieren. Das zweite Szenario bedeutet einen Tag mehr Schule pro Woche und einen weniger im Betrieb. Das wollen viele Lehrbetriebe nicht, wie eine Umfrage von GFS Bern zeigt.
Die Betriebe möchten die Lernenden lieber vor Ort einsetzen. Darum bieten einige Lehrbetriebe die begleitende Berufsmatur gar nicht an. Für Christophe Nydegger, den Leiter des Berufsbildungsamts im Kanton Freiburg, ist die Haltung der Lehrmeister entscheidend: «Am Ende entscheidet der Lehrmeister, ob die lehrbegleitende Berufsmatur möglich ist oder nicht.»
Die Verhältnisse verschieben sich zugunsten der Lehrbetriebe
Die Berufsmatura wird von manchen Betrieben bereits in den Ausschreibungen ausgeschlossen. Dies, obschon die Lernenden daran Interesse bekunden würden, wie dieselbe Umfrage zeigt. Vonseiten der Kantone wird die berufsbegleitende Variante bevorzugt, wie Christophe Nydegger bestätigt.
Ein Lehrvertrag ist ein Vertrag für die Ausbildung und nicht unbedingt für die Rentabilität.
Trotzdem hat sich das Verhältnis in den letzten Jahren verschoben. Vor zehn Jahren haben noch 55 Prozent der Absolventinnen und Absolventen die Berufsmatur während der Lehre gemacht und der Rest danach. Heute ist das Verhältnis genau umgekehrt.
Ein Grund für die Veränderung könnte gemäss Nydegger sein, dass die Lernenden so im Betrieb mehr als billige Arbeitskräfte eingesetzt werden können. Doch der Leiter des Berufsbildungsamts Freiburg fügt an: «Ein Lehrvertrag ist ein Vertrag für die Ausbildung und nicht unbedingt für die Rentabilität.»
Der Arbeitgeberverband widerspricht
Nicole Meier, die Leiterin Berufsbildung beim Arbeitsgeberverband, widerspricht der These von Christophe Nydegger. In erster Linie sind laut ihr die Betriebe verantwortlich, die Jugendlichen für das Fähigkeitszeugnis fit zu machen. «Der Lehrabschluss hat Priorität vor der Berufsmatura», so Meier. Im Zweifel könne die Berufsmatura auch nach der Lehre gemacht werden.
Zudem streicht Nicole Meier einen Pluspunkt der Schweizer Berufsbildung heraus: «Die Ausbildungsbereitschaft der Betriebe ist wirklich hoch. Das gibt es sonst nirgends auf der Welt in diesem Ausmass.»
Deshalb solle man den Willen der Betriebe auch nicht zu stark strapazieren. Doch zuletzt wurde es für Betriebe schwerer, freie Lehrstellen zu besetzen, sodass sie vermehrt Lehren mit begleitender Berufsmatur anbieten.