Die Enttäuschung bei allen, die sich vom Papst ein Signal zur Öffnung des Priesteramts für verheiratete Männer in Amazonien erhofft hatten, ist gross. Denn zur Frage des Zölibats sagt Franziskus in seinem jüngsten Schreiben nichts. Was das für die Kirche bedeuten könnte, erläutert der Bischof von Basel, Felix Gmür.
SRF News: Sind Sie zufrieden mit dem Schreiben des Papstes?
Felix Gmür: Ich bin zufrieden und habe trotzdem Fragen.
Welche Fragen haben Sie?
Franziskus hat eine soziale, kulturelle, ökologische und kirchliche Vision. Der Papst hat einen Traum von einer gerechten Welt und von einer lebendigen Kirche für diese gerechte Welt. Doch was bedeutet hier lebendige Kirche?
Für mich bedeutet das, dass wir weitersuchen und einen Konsens finden müssen.
Für den Papst ist der Punkt einer lebendigen Gemeinschaft und dass die Menschen christlich handeln wichtiger, als die Frage nach der Leitung dieser Gemeinschaft. In unserem kulturellen Kontext ist immer wichtig, wer die Leitung übernimmt.
Wie interpretieren Sie, dass der Papst in seinem Schreiben die Frage des Zölibats nicht anspricht?
Er erwähnt sie nicht, weil er – so interpretiere ich das – nicht einfach von oben entscheiden will. Er sagt ausdrücklich, man solle das Schlussdokument lesen. Dort wird in Punkt 111 ausführlich das Zölibat und sogar die mögliche Weihe von Frauen zu Diakoninnen angesprochen. Er selbst sagt nichts dazu. Für mich bedeutet das, dass wir weitersuchen und einen Konsens finden müssen.
Gewisse Stimmen fordern, dass die Bischöfe auf das Schweigen des Papstes mit klaren Forderungen reagieren sollen. Wie sehen Sie das?
Wir müssen darauf aufmerksam machen, dass wir auch in der Schweiz zu wenig Priester haben, in einer anderen kulturellen Situation als in Amazonien. Doch nur die Priester zu fördern wird nichts ändern.
Der Priester ist nur der Diener des Volkes und nicht einfach der Chef.
Das heisst, das Volk soll aktiv werden und der Priester ist nur der Diener des Volkes und nicht einfach der Chef. Er wird in diesem Dokument nicht durch Macht definiert, sondern dadurch, dass er die Christinnen und Christen begleitet.
Stichwort Priestermangel: Hätte man sich mit der Aufweichung des Zölibats mehr Spielraum erhofft?
Eine Aufweichung des Zölibats bleibt möglich, denn das steht im Schlussdokument, das vom Papst zur Lektüre empfohlen wird.
Das geht bei uns zusammen, Männer und Frauen.
Im schweizerischen Kontext ist wichtig zu sehen, dass man nicht einfach das Zölibat für Männer aufweichen kann, sondern dass man auch die Rolle der Frau als Amtsträgerin anschauen muss. Das geht bei uns zusammen, Männer und Frauen.
Was soll gemäss dem Papst die Rolle der Frau in der katholischen Kirche sein?
Die Frauen hat er als mögliche Gemeindeleiterinnen erwähnt. Das Frauenbild, das hier transportiert wird, finde ich problematisch und es ist schwer zu vermitteln. Es mag für eine andere Kultur stimmen, aber für unsere Kultur stimmt es nicht. Und deswegen muss man den Papst ernst nehmen. Wir brauchen die Inkulturation des Christentums in unserem Land und das ist eine andere als zum Beispiel in Amazonien.
Zeigt das Schreiben, dass der Papst zwar gerne über Reformen spricht, aber keinen wirklichen Wandel will?
In der Frage der Ämter in der Kirche ist der Papst auch für mich kryptisch. Aber in diesem Dokument will er einen Wandel zu einer gerechteren Welt und zu einer Weltordnung, die keine Armen produziert und die die Welt nicht kaputt macht. Das betrifft auch uns in der Schweiz. Nur wollen wir hier nicht hinschauen, weil wir etwas tun müssen.
Das klingt nach vielen Fragen, aber wenigen Antworten...
Die Antworten müssen wir selber geben.
Das Gespräch führte Eliane Leiser.