- Das Verteidigungsdepartement VBS von Bundespräsidentin Viola Amherd hat sich nachdrücklich und mit Erfolg für eine Entschärfung des Hamas-Verbots eingesetzt.
- Dies geht aus bisher unveröffentlichten Dokumenten hervor, welche die «NZZ am Sonntag» gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz einsehen konnte.
- Ein Rechtsexperte ordnet ein, was das neue Gesetz bedeutet.
Die erste Fassung des Verbots sah vor, nicht nur die Hamas, sondern auch «Organisationen und Gruppierungen, die in Führung, Zielsetzung und Mitteln mit der Hamas übereinstimmen» zu verbieten. Diesen ursprünglichen Entwurf hatte das Fedpol ausgearbeitet.
Dagegen wehrte sich das VBS in der Ämterkonsultation: Das Gesetz führe zu Unklarheiten, durch welche weitere Organisationen mitverboten würden. Zudem könnte das automatische Verbot weiterer Organisationen zu diplomatischen Schwierigkeiten führen.
Der Bundesrat fügte sich: Im aktuellen Gesetzesentwurf sind nur die Hamas und Nachfolgeorganisationen verboten. Das ist eine Abschwächung – und trotzdem: Der Bundesrat kann gemäss dem Gesetzesentwurf weitere Organisationen eigenhändig verbieten – ohne das Parlament zu konsultieren.
Rechtsexperte: Bundesrat bekommt mehr Ermessensspielraum
Dieser Ermessensspielraum sei ein Novum in der Schweiz, sagt Armin Stähli von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Zürich. Er hat sich in seiner Dissertation mit dem Verbot von Terrororganisationen befasst.
«Das ist im Nachrichtendienstgesetz anders geregelt. Dieses besagt, dass die Sicherheitspolitische Kommission zuerst konsultiert werden muss.» Stähli erachtet dies aus Sicht der Gewaltenteilung und der Demokratie als sinnvoll, wie er gegenüber SRF sagt.
Der Bundesrat soll bei der Frage, ob weitere Organisationen verboten werden, also sehr viel Ermessensspielraum bekommen. Ob das Gesetz letztlich tatsächlich so ausgestaltet wird, dazu kann das Parlament noch entscheiden.
Verbot der Hamas als Zäsur
Für die Schweiz bedeutet das Hamas-Verbot ohnehin einen Paradigmenwechsel. Armin Stähli sagt, zuletzt gab es in den 90er-Jahren eine Welle politischer Vorstösse, die ein Verbot von Organisationen, wie den Tamil Tigers oder der PKK forderte.
«Der Bundesrat sagte stets, dass solche Verbote im Widerspruch zur schweizerischen Tradition stünden. Sie seien ungeeignet und unverhältnismässig», sagt Stähli. Mit den Entwicklungen in Bezug auf die Hamas hat sich dies laut dem Rechtsexperten nun geändert.
Zudem habe die Schweiz im Nachrichtendienstgesetz jüngst eigentlich klar definiert, wann eine Organisation verboten wird. Demnach werden nur Organisationen verboten, die auf der UNO-Sanktionsliste stehen. Bei den Hamas will die Schweiz jetzt eine Ausnahme machen.