2216, 2986, 4150, 3886, 3922: Die täglichen Fallzahlen in der Schweiz steigen in den vergangenen Tagen stark an. Die Situation ist ungemütlich: Die Impfbereitschaft in der Schweiz lässt zu wünschen übrig, der Impfschutz hält weniger lang als erhofft und auch Geimpfte können das Virus weitergeben.
Wie geht es jetzt weiter? Kommt die Schweiz mit den geltenden Massnahmen durch den Corona-Winter oder braucht es mehr? In verschiedenen Ländern wird die Schraube bereits wieder angezogen.
Diese 10 Verschärfungen werden derzeit in Politik und Öffentlichkeit diskutiert:
Booster-Impfung für alle: Personen ab 65 Jahren, die seit mindestens sechs Monaten vollständig geimpft sind, können sich in der Schweiz seit wenigen Tagen zum dritten Mal impfen lassen. Daten der wissenschaftlichen Taskforce zeigen, dass der Impfschutz vor allem bei Älteren nachlässt.
In Israel steht die Auffrischimpfung seit Ende August der gesamten Bevölkerung offen. Auch in Deutschland oder Österreich werden mittlerweile alle Impfwilligen geboostert. Ab 1. Dezember dürfen sich in Frankreich alle über 50-Jährigen boostern, in Italien alle über 40. Klar ist: die Boosterimpfung vermindert Spitaleintritte und Todesfälle um ein Vielfaches.
Ausweitung der Maskenpflicht für alle: Maskenpflicht im Büro, Maskenpflicht an allen öffentlichen Veranstaltungen, Maskenpflicht, wie wir sie im Frühjahr kannten: Das wird momentan wieder diskutiert – trotz Zertifikat. Weil die Impfwirkung nachweislich nachlässt, kam es in den vergangenen Wochen vermehrt zu Impfdurchbrüchen. Mit der Ausweitung der Maskenpflicht wären also alle besser geschützt: Geimpfte, Genesene und Ungeimpfte.
Das Robert Koch-Institut hat seine Empfehlungen aufgrund der hohen Fallzahlen bereits angepasst. So sollen in Deutschland auch Geimpfte und Genesene Masken tragen und Abstand halten. Räume, in denen mehrere Menschen sind, sollten regelmässig gelüftet werden – Impfstatus der Menschen hin oder her.
Absage von Grossveranstaltungen: Dass sich das Virus bei Grossveranstaltungen am leichtesten verbreitet, liegt auf der Hand. Vor allem, weil mit Zertifikat keine Maskenpflicht mehr gilt und es Impfdurchbrüche gibt.
In Deutschland rät das Robert Koch-Institut deshalb, grössere Veranstaltungen abzusagen. «Sofern Grossveranstaltungen nicht gemieden werden können, sollte man unabhängig vom Impf- oder Genesenenstatus vorher einen Test machen und die Corona-Warn-App nutzen.»
Kostenlose Tests für alle: SVP und Grüne fordern wieder Gratistests für alle. Auch die Wirtschaftskommission des Nationalrats sprach sich knapp dafür aus. Laut den Befürwortern sind Gratistests ein gutes Mittel, um die Pandemie einzudämmen.
Das letzte Wort hat der National- und Ständerat. Voraussichtlich wird in der Wintersession entschieden, ob die Tests wieder kostenlos werden sollen. Das BAG bekräftigte diese Woche, dass es aus seiner Sicht nicht Aufgabe der Allgemeinheit sei, für die Testkosten jener aufzukommen, die sich nicht impfen lassen wollten. In Deutschland haben ab Samstag wieder alle Bürger Zugang zu kostenlosen Tests.
3G-Regel am Arbeitsplatz: Nur wer geimpft, genesen oder getestet ist, darf an den Arbeitsplatz. Diese Regelung kennen bereits unsere Nachbarländer Italien und Österreich.
Die deutliche Verschärfung der Regeln für Ungeimpfte hat in Österreich die Zahl der Corona-Impfungen spürbar nach oben klettern lassen. In den ersten zehn Tagen nach Einführung der 3G-Regel am Arbeitsplatz am 1. November wurden insgesamt mehr als 420'000 Stiche verzeichnet. In den zehn Tagen davor waren es rund 157'000.
2G-Regel: Bei der 2G-Regel erhalten nur noch Geimpfte und Genesene ein Zertifikat. Den Ungeimpften wird der Zugang zum gesellschaftlichen Leben verwehrt. In Österreich wurde die 2G-Regel vor wenigen Tagen eingeführt, in Deutschland kennen einige Bundesländer diese verschärfte Regelung. Das grenzüberschreitende Skigebiet Samnaun/Ischgl hat als erstes Skigebiet in der Schweiz bereits entschieden, die 2G-Zertifikatspflicht einzuführen.
In der Schweiz nannte die wissenschaftliche Taskforce schon vor Wochen 2G eine Option, falls die Fallzahlen steigen. Doch die Regelung könnte hierzulande nicht einfach flächendeckend einführt werden, dazu bräuchte es eine Gesetzesänderung. In Bundesbern scheint 2G zurzeit nicht salonfähig zu sein. Am Donnerstag sagte Gesundheitsminister Alain Berset bei «20 Minuten»: «Ich glaube nicht, dass wir 2G nötig haben.» Heute mahnt der Weltärzteverband-Präsident: Die Schweiz muss über die 2G-Regel diskutieren.
2G-plus-Regel: Bei 2G plus wird für Geimpfte und Genesene zusätzlich eine Testpflicht eingeführt. Zugang zu Restaurants oder Veranstaltungen ist also nur für Geimpfte und Genesene mit Test möglich. Ungeimpfte haben keinen Zutritt mehr. Die 2G-plus-Regel soll eine zusätzliche Sicherheit bieten.
Bisher hat sich 2G plus noch nicht durchgesetzt. Aber gerade in Altersheimen könnte das Modell Schule machen. Es brauche dringend eine Testpflicht für Personal und Besucher in Pflegeheimen, sagte heute der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn. «Wenn wir die Pandemie brechen wollen, müssen wir entschlossener handeln.» Dazu gehöre das Testen, auch für Geimpfte und Genesene, die auch ein Teil der Infektionsentwicklung seien, so Spahn.
Kontaktbeschränkungen: Private Treffen mit stark eingeschränkter Personenzahl, Fussballspiele vor (halb)leeren Rängen: Alles Massnahmen, die wir alle eigentlich hofften, hinter uns zu haben. Doch nun werden sie wieder diskutiert.
In den Niederlanden hat die Regierung einen mindestens dreiwöchigen Teil-Shutdown verhängt. Es ist das erste westeuropäische Land seit dem Sommer, das diesen Schritt macht. Ab Samstag müssen Restaurants und Supermärkte um 20 Uhr schliessen, andere Geschäfte bereits um 18 Uhr. Die 1.5-Meter-Abstandsregel wird wieder eingeführt. Sportveranstaltungen müssen ohne Publikum stattfinden. «Wir müssen jetzt die Infektionstätigkeit durch Kontaktmassnahmen wahrscheinlich wieder kontrollieren – nicht wahrscheinlich, sondern sicher», sagte zuletzt auch der deutsche Virologe Christian Drosten. Er schränkte allerdings ein, dass es juristisch schwer sein könnte, aufgrund der Impfung breite allgemeine Kontaktmassnahmen durchzusetzen.
Lockdown für Ungeimpfte: Österreich steht kurz davor, einen Lockdown für Ungeimpfte einzuführen. Die entsprechenden Entscheidungen würden am Sonntag gefällt, kündigte Kanzler Alexander Schallenberg an.
Ungeimpften wäre bei einem Lockdown das Verlassen der eigenen Wohnung nur noch in Ausnahmefällen gestattet. Es werde «Ausgangsbeschränkungen» für Ungeimpfte geben, heisst es. Erlaubt wäre noch die Grundversorgung (wie Einkäufe) oder der Weg zur Arbeit. Die Details müssen noch ausgearbeitet werden. Ein Lockdown für Ungeimpfte in Österreich soll aber offenbar weiter als die bestehende 2G-Regelung gehen. Der Lockdown soll laut Schallenberg mit Stichproben kontrolliert werden.
Rumänien ist momentan das einzige EU-Land mit einem Lockdown nur für Ungeimpfte. Der gilt allerdings nur in der Nacht.
Shut- oder Lockdown für alle: Ultima ratio wäre ein neuerlicher Shut- oder gar Lockdown für die Gesamtbevölkerung. Schweizer Politiker aus allen Parteien wollen momentan einen solchen Shutdown – auch für Geimpfte – um jeden Preis verhindern. Für eine Gruppe von renommierten Corona-Wissenschaftlern aus Deutschland ist ein Lockdown in diesem Winter jedoch kein Tabu mehr.
Für den Fall, dass alle Massnahmen ausgeschöpft sind, regt die Gruppe in ihrem Strategie-Papier einen kurzen Lockdown an, den sie «Notschutzschalter» nennt. Dieser könne beispielsweise zwei Wochen dauern und müsse langfristig vorbereitet werden, um die Folgen abzufedern. Ein solcher Lockdown könne aus Homeoffice und einer Testpflicht am Arbeitsplatz, kleineren Kindergartengruppen und Schulklassen, der Schliessung von Restaurants und Geschäften sowie Kontaktbeschränkungen bestehen.