Lieferschwierigkeiten, Mutationen und eine unklare Dauer der Wirksamkeit: So begründet der Bundesrat die Beschaffung von weiteren 17 Millionen Impfdosen. Insgesamt sind bei fünf Impfstoffherstellern knapp 33 Millionen Dosen bestellt, welche den tatsächlichen Bedarf mehr als genug decken. Wie ist die bundesrätliche Strategie zu werten und gibt es auch Haken?
Mit 32.8 Millionen Impfdosen könnte die gesamte Bevölkerung doppelt geimpft werden. Ergibt das Sinn?
Der Bundesrat hat seine Hamsterkäufe vor allem mit den bestehenden Lieferengpässen von Astra-Zeneca und Moderna begründet. Es handelt sich also in erster Linie um eine Absicherung, die sich die Schweiz leisten kann. Der Bundesrat will sich später offensichtlich nicht vorwerfen lassen, zu wenig Impfstoff beschafft zu haben.
Weitaus wichtiger ist aber, dass beim heutigen Wissensstand noch unklar ist, wie viele Impfdosen am Ende nötig sein werden, um die Epidemie in den Griff zu bekommen, wie SRF-Wissenschaftsredaktor Daniel Theis sagt. Was auf den ersten Blick nach einer Überkapazität aussehe, könnte in einem Jahr hochwillkommen sein. «Nämlich dann, wenn das Virus sich derart anpassen kann, dass die bisherigen Impfstoffe zu wenig nützen. Dann müsste erneut geimpft werden», führt Theis aus.
Stichwort Mutationen: Wie schnell lassen sich die Vakzine anpassen?
Gerade die neuen mRNA-Impfstoffe sollten gemäss den Herstellern eine Anpassung relativ einfach ermöglichen. Ein Fragezeichen bleibt jedoch bei der Herstellung und dem Vertrieb der neuen Impfstoffe. Es dauere nicht bloss Tage, sondern eher Wochen, bis grosse Produktionsanlagen auf das neue Produkt eingespielt seien, so der SRF-Wissenschaftsredaktor. Ungeklärt sei zudem, inwiefern die geänderten Impfstoffe dann zuerst wieder getestet werden müssten, bevor sie breit zum Einsatz kommen. «Vermutlich wird das aber relativ einfach gehen – ähnlich wie bei der jährlich angepassten Grippeimpfung», sagt Daniel Theis.
Wie will der Bund verhindern, dass er nicht auf riesigen Mengen Impfstoff sitzenbleibt?
Laut einer repräsentativen Umfrage von Ende 2020 will sich mindestens ein Viertel der Schweizer Bevölkerung nicht impfen lassen, was den grossen Vorrat zusätzlich infrage stellt. Wie alle Medizinprodukte hat auch ein Impfstoff ein Ablaufdatum. Es besteht folglich das Risiko, dass ein Teil der Dosen weggeworfen werden muss. Gemäss SRF-Wissenschaftsredaktor Daniel Theis ist es aber auch denkbar, dass die Schweiz dann kurz vor Ablaufdatum die Impfdosen günstig weiterverkauft – und sie so nicht weggeworfen werden müssen.
Jagt man so nicht den ärmeren Ländern den Impfstoff ab?
Wie weitere westliche Länder ist die Schweiz Teil der sogenannten Covax-Initiative, mit der eine gerechte Impfstoff-Verteilung weltweit angestrebt wird. Die Schweiz hat sich verpflichtet für 20 Prozent der eigenen Bevölkerung Impfstoff von dort zu beziehen. Die aktuellen Bestellungen seien ausserhalb dieses Kontingents erfolgt, erklärt Daniel Theis. Dass nun die Covax-Initiative umgangen werde, daran habe aber nicht nur die Schweiz Anteil. Es spielt das Gesetz von Angebot und Nachfrage: Knappe Güter landen in einer Marktwirtschaft dort, wo das Geld fliesst. Theis präzisiert: «Insofern kauft die Schweiz im Moment den weniger gut bemittelten Ländern den Impfstoff vor der Nase weg. Das lässt sich nicht wegdiskutieren.»