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Bund legt E-Voting auf Eis Es geht um Vertrauen – auch in die Demokratie

Wie waren sie doch noch vor zwei Jahren motiviert, die Bundeskanzlei und die Kantone. Zwei Drittel der Kantone sollten bei den kommenden eidgenössischen Wahlen E-Voting anbieten. Das war als gemeinsames Ziel vereinbart. Modern, unkompliziert und barrierefrei wollte man sein, bei der Digitalisierung mitmachen und vielleicht auch noch mehr Stimmberechtigte zum Wählen motivieren.

Bedenkliche Sicherheitslücken

Und dann das. Zwei E-Voting-Systeme hatten sich in der Schweiz während der über 300 Versuche in den letzten 15 Jahren durchgesetzt: jenes der Post und jenes des Kantons Genf. Beide gerieten in Schwierigkeiten.

Der Kanton Genf hat sein System letzte Woche per sofort eingestellt. Die Sicherheit zu gewährleisten, wäre zu teuer geworden. Das System der Post ist sistiert, seit im März Sicherheitslücken bekannt geworden waren. Der Bund prüft zurzeit, ob die Lücken unterdessen ausreichend gestopft sind. Nun lässt der Bundesrat seine Pläne fallen, E-Voting zum offiziellen Abstimmungskanal zu machen. Fast alle Parteien finden es zu früh.

Gegner machen Druck

Ganz aufgeben mögen Bund und Kantone aber doch nicht. Bundeskanzlei und die Kantone sollen bis Ende 2020 einen neuen Versuchsbetrieb konzipieren. Das können sie aber nur, wenn der Bund das E-Voting-System der Post in den nächsten Wochen für sicher erklärt – es ist das einzige System, das übrig bleibt.

Aber selbst dann steht die Zukunft des E-Votings in den Sternen. Denn die Stimmung in der Bevölkerung hat sich verändert. Ablesen kann man das an Beschlüssen in den Kantonen. Waren diese anfänglich noch mehrheitlich mit Begeisterung dabei, mehren sich nun Entscheide, welche E-Voting-Projekte stoppen oder abbremsen. E-Voting-Gegner von links bis rechts erzielen Erfolge mit Vorstössen in Kantonen wie Zürich, Aargau, Basel-Stadt oder Glarus.

Initiative in der Pipeline

Gleichzeitig sammeln sie national Unterschriften für eine Volksinitiative, welche E-Voting für mindestens fünf Jahre verbieten will. Ihr Argument, E-Voting sei anfälliger auf Manipulation im grossen Stil als Wahlzettel, die dezentral in den Gemeinden ausgezählt werden, findet zunehmend Gehör.

Will der Bundesrat beim E-Voting nicht vom Volk gestoppt werden, braucht er deshalb nicht nur ein überzeugendes technisches System für neue Versuche, sondern vor allem Vertrauen.

Das wird mit dem E-Voting-System der Post nicht einfach sein. Denn Wissenschafter der Berner Fachhochschule hatten schon vor Jahren auf Sicherheitslücken hingewiesen. Die Post hatte dies der Hersteller-Firma zwar mitgeteilt. Wie ein Hacker-Test später zeigte, waren die Fehler aber nicht vollständig behoben. Und der Bund hatte dies bei seinen Sicherheitskontrollen nicht bemerkt.

Auch wenn dadurch keine einzige Stimme verfälscht worden sein soll – das Vertrauen ist angeknackst. Es wieder herzustellen, dürfte schwierig werden.

Nathalie Christen

Bundeshausredaktorin

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Christen ist Korrespondentin im Bundeshaus für Fernsehen SRF. Sie arbeitet seit 2002 für SRF. Unter anderem leitete sie die Bundeshausredaktion von Radio SRF und war Produzentin bei der «Arena». Zuvor war sie Bundeshausredaktorin beim «SonntagsBlick».

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