Das Coronavirus war gerade mal 19 Tage in der Schweiz – da brach das Parlament seine Beratungen «mit sofortiger Wirkung» ab. Die Frühjahrssession von National- und Ständerat fand im letzten Jahr nach zwei Wochen ein jähes Ende. Die Legislative verabschiedete sich und überliess die Regie der Krise dem Bundesrat.
Dieser rief einen Tag später die «ausserordentliche Lage» aus und verschaffte sich dadurch weitreichende Kompetenzen, die es ihm erlaubten, ohne Zustimmung des Parlaments einheitliche Massnahmen in allen Kantonen durchzusetzen. «Führungsstark» sei das, lobten die Parteien und applaudierten.
Die Begeisterung währte allerdings nicht lange. Die Rufe, der Bundesrat möge die «ausserordentliche Lage» beenden, ertönten rasch. Das Parlament verlangte seinen Einfluss zurück und damit die Rückkehr zur Normalität.
Ausstieg nicht klar geregelt
Das Resultat des Tauziehens war das Covid-19-Gesetz, das der Bundesrat im Sommer präsentierte. Eine Ansammlung von «Kann»-Formulierungen, die ihm zwar «besondere Befugnisse» verleiht, sobald diese zur Bewältigung der Covid-19-Epidemie «notwendig» werden. Doch muss er die Kommissionen des Parlaments, Kantone und Sozialpartner jedes Mal vorgängig konsultieren.
Offenbar hatte bei der Beratung des Gesetzes in der vergangenen Herbstsession aber niemand daran gedacht, dass nicht nur der Umgang mit der Krise selbst geregelt werden sollte, sondern auch der Ausstieg aus der Krise.
Seit die Infektionen und vor allem die Spitaleinweisungen und Todesfälle zurückgehen, haben Kommissionen beider Räte mit Schreiben und Appellen an den Bundesrat versucht, eine Lockerung der verhängten Massnahmen zu bewirken. Mit mässigem Erfolg. Mangels klarer Regelung macht der Bundesrat geltend, er sei nicht nur für die Einführung von Massnahmen zuständig, sondern auch für deren Ausserkraftsetzung.
Bundesrat behält Zügel vorerst in der Hand
Zwei Kommissionen des Nationalrats ist vorletzte Woche deshalb der Kragen geplatzt. Wenn der Bundesrat nicht hören wolle, müsse man ihn halt per Gesetz zur Öffnung von Restaurants, Kultur und Sport zwingen.
Wenige Tage später ist der Widerstand der bürgerlichen Kommissionsmehrheiten bereits wieder implodiert. Der Nationalrat hat die Anträge, die Öffnung per 22. März ins Gesetz zu schreiben, gestern Abend klar versenkt. Der Rat setzte stattdessen auf eine unverbindliche «Erklärung» und noch mehr eindringliche Appelle an den Bundesrat, die Rückkehr zur Normalität doch bitteschön nun endlich einzuleiten.
Der Bundesrat hat den Machtpoker zwischen den beiden Staatsgewalten damit für sich entschieden. Das Parlament beschränkt sich im Wesentlichen darauf, die Spielregeln beim Verteilen der Milliardenhilfe für die wirtschaftlichen Opfer der Coronakrise zu definieren.
Zumindest für den Moment. Ob die parlamentarische Zurückhaltung immer noch Bestand hat, wenn der Bundesrat diesen Freitag nur minimale Öffnungsschritte ankündigen sollte, bleibt offen. Oder um es mit den Worten von «Mitte»-Nationalrat Leo Müller aus der gestrigen Debatte zu sagen: «Abgerechnet wird am 19. März!» – dem letzten Tag dieser Frühjahrssession.