Das Rahmenabkommen mit der EU ist Geschichte. Wie weiter also mit der Schweiz und der EU? Aussenminister Ignazio Cassis reist in den nächsten Tagen und Wochen ins Ausland. Seine Mission: Den Verhandlungsabbruch erklären, die Wogen glätten – und vor allem: Nach neuen Wegen suchen.
Den Anfang macht am Wochenende Österreich. Dort steht ein Treffen mit Aussenminister Alexander Schallenberg auf dem Programm. Zu einem Austausch mit Bundeskanzler Sebastian Kurz wird es auch kommen. Vor der Abreise nach Wien hat Cassis über seine Pläne und Strategien gesprochen.
SRF News: Haben Sie bei der Reise nach Wien den «Reset-Knopf» dabei?
Ignazio Cassis: Nein, es geht jetzt in dieser Phase darum, unsere bis anhin guten Beziehungen zu bewahren. In Wien kann ich mit meinem Amtskollegen Alexander Schallenberg eine Absichtserklärung zu einer neuen strategischen Partnerschaft Schweiz-Österreich unterschreiben, am Samstag bei einem Europa-Forum dabei sein und eine Rede halten. Für mich ist das die Gelegenheit, auch die Position der Schweiz darzulegen.
Wir sollten uns jetzt nicht in den nächsten fünf Jahren mit Vergangenheitsbewältigung beschäftigen.
Die Woche darauf werde ich in Paris bei Aussenminister Jean-Yves Le Drian sein. Drei Tage später dann in Berlin, wo eine Libyen-Konferenz stattfindet. Dort werde ich sicher auch noch den deutschen und den italienischen Aussenminister treffen. Wir haben schon gute Beziehungen, aber diese Intensivierung hat natürlich mit unserem Erklärungsbedarf zu tun und ein bisschen auch damit, etwas Optimismus betreffend der Zukunft zu fördern.
Sprechen Sie noch mit weiteren EU-Staaten, vielleicht auch mit solchen, die der Schweiz nicht so wohlgesinnt sind?
Ich spreche a priori mit allen Staaten, inklusive aller EU-Mitglieder. Anfang Juli werde ich auch noch zu einem Besuch in den baltischen Ländern sein, in allen dreien. Wir werden sicher vor allem über unsere bilateralen Beziehungen reden, aber das EU-Thema wird ein zentrales sein bei den Treffen.
Trotzdem: Die Zeit drängt. Es gibt schon erste Nadelstiche, bei der Zertifizierung von Medizinalprodukten zum Beispiel. Dort haben uns diese Freunde – oder auch diese Nachbarn – bisher nicht gross geholfen...
Ich glaube, wir sollten uns jetzt nicht mehr unter Druck fühlen. Diese Nadelstiche waren da, um Druck zu machen im Sinne der Beschleunigung des Unterzeichnens des Rahmenabkommens. Inzwischen ist dieser Bezugspunkt Rahmenabkommen nicht mehr da. Diese Druckpolitik, die wir gespürt haben, sollte sich nun auch auflösen, weil wir nichts mehr zu unterschreiben haben. Und jetzt soll Schritt für Schritt die Vernunft zurückkommen.
Wir sind eine stabile, zuverlässige Partnerin, haben mit einer Milliarde Franken pro Tag eine sehr gute Handelsbeziehung zur EU. Wir haben 1.5 Millionen EU-Bürgerinnen und -Bürger in der Schweiz, 340'000 Grenzgängerinnen und Grenzgänger, über 200'000 Entsandte. Das sind Zahlen, welche die Dimension unserer Rolle als Partnerin der EU verdeutlichen.
Und doch führen Sie nun, da das Rahmenabkommen nicht zustande gekommen ist, diese Gespräche. Zeichnen Sie nicht ein zu positives Bild?
Nein. Aber ich glaube, wir sollten uns jetzt nicht in den nächsten fünf Jahren mit Vergangenheitsbewältigung beschäftigen. Wir sollten optimistisch, nicht übermütig, aber selbstbewusst nach vorne schauen und Wege suchen. Es ist in beiderseitigem Interesse, gute Lösungen zu haben. Es geht um Menschen, die in unseren Ländern wohnen.
Das Gespräch führte Beat Soltermann.