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Comicfestival Fumetto Diese Künstlerin gibt südamerikanischen Flüchtlingen ein Gesicht

Herenia González ist zu Besuch am Luzerner Comicfestival. Im Gepäck: die wahre Geschichte eines Flüchtlingsmädchens.

Die mexikanische Künstlerin Herenia González weilt dieser Tage in Luzern. Sie stellt ihre Werke am Comicfestival Fumetto aus. Nebenbei geniesst sie die Natur und das Bergpanorama, etwa bei einem Schiffsausflug auf dem Vierwaldstättersee.

Frau mit Enten
Legende: Die Künstlerin Herenia González ist zu Besuch am Fumetto-Comicfestival in Luzern. Herenia González

Der Kontrast zu ihrem Aufenthalt vor sechs Monaten könnte kaum grösser sein. Im November 2024 besuchte sie auf Einladung der Hilfsorganisation «Médecins sans frontières» ein Flüchtlingscamp in Mexico City. Sie war da, um die Geschichte der rund 50'000 Flüchtlinge zu erzählen, die jährlich durch Mexiko wandern, um in den USA ihr Glück zu suchen.

Ein 12-jähriges Mädchen erzählt

Es sei nicht einfach gewesen, an diese Menschen heranzukommen, erzählt González in Luzern. «Die Leute waren nicht nur müde, sondern emotional verletzlich.» Wenn die Menschen nach einem kräftezehrenden Marsch einen Platz zum Ausruhen gefunden hätten, würde ihnen die Energie fehlen, um einer wildfremden Person zu erzählen, was sie alles durchmachen mussten.

Mich hat die Kraft von Gabriela überrascht.
Autor: Herenia González Künstlerin aus Mexiko

Doch dann war da auch Gabriela, ein 12-jähriges Mädchen aus Venezuela. Sie brach vor einem guten Jahr mit ihrer Mutter, der Schwester und dem Hund Santiago in Richtung USA auf. «Mit Gabriela war es einfach, in Kontakt zu kommen», sagt Herenia González. «Weil ich auch Kinderbücher illustriere, bin ich mir die kindliche Sprache gewohnt und weiss, wie ich hinhören muss.»

Ausschnitt Comic
Legende: Die Künstlerin machte die 12-jährige Gabriela zur Protagonistin ihres Comics. Diese erzählte ihr, wie sie mit ihrer Familie aus Venezuela in Richtung Norden floh. Herenia González

Gabriela erzählte der Künstlerin die Geschichte ihrer Flucht und daraus gestaltete sie eine Comicreportage. Die Geschichte mit dem Titel «Ich wünschte, ich könnte fliegen» wird nun in Luzern zum ersten Mal gezeigt.

Gefährliche Reise

Es ist eine Geschichte, wie sie viele Südamerikanerinnen und Südamerikaner erleben, die sich von einer Flucht in die USA ein besseres Leben erhoffen. Gabrielas Mutter habe grünes Licht für die Einreise in die USA gehabt. Auf einer App konnte sie ihren Asylantrag stellen und erhielt einen Termin für die Einreise. Doch dann zog die Trump-Administration dem Programm den Stecker.

Die Leute, die in Richtung Norden wollen, sind ständig in Bewegung. Man weiss nie, wo man sie morgen antrifft.
Autor: Herenia González Künstlerin aus Mexiko

Die 12-jährige Gabriela habe trotzdem unbekümmert gewirkt, sagt Herenia González. «Mich hat diese Kraft überrascht.» Überhaupt habe das Mädchen von der Flucht erzählt, als sei es ein grosses Abenteuer gewesen.

Auch von dem Teil der Reise, der durch einen dichten Urwald zwischen Kolumbien und Panama führt. Eine Strecke voller Gefahren: Schlangen, Räuberbanden und reissende Flüsse. Migrantinnen und Migranten werden da regelmässig überfallen, entführt oder erfahren sexuelle Gewalt.

Ende bleibt ungewiss

Während Gabrielas kindliche Fantasie die Reise zum Abenteuer umdeutet, werde deren Gefahr bei den Erwachsenen deutlich, so González. «Die meisten Menschen werden still, wenn sie von diesem Teil der Reise erzählen», sagt die Künstlerin. «Ihre Stimme bricht und sie verstummen. Man getraut sich gar nicht, nachzufragen.»

Viele der Flüchtenden müssten umkehren. Gabriela beispielsweise war mit 300 anderen Venezolanern losgelaufen – in Mexico City angekommen seien nur 20. Die wichtigste Etappe, die Grenzüberquerung in die USA, ist noch immer nicht geschafft.

Ob es der 12-jährigen Gabriela gelungen ist, wisse sie nicht, sagt Herenia González. Ihr Comic zeichnet den Weg von Venezuela nach Mexico City, danach sei der Kontakt abgebrochen. So bleibt unklar, ob Gabriela und ihre Familie noch immer in Mexiko sind oder ob sie es tatsächlich über die Grenze in die USA geschafft haben.

Regionaljournal Zentralschweiz, 8.4.2025, 17:30 Uhr ; 

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