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Corona-Milliarden für Klima? ETH-Forscher: «Man darf der Swiss keinen Blankoscheck ausstellen»

Die Corona-Pandemie verschafft dem Klima eine kleine Verschnaufpause. Umweltökonom Philippe Thalmann von der ETH Lausanne hat ausgerechnet, dass wenn die Wirtschaft hierzulande um fünf Prozent einbricht, die Schweizer Klimaziele 2020 unter dem UNO-Kyotoprotokoll doch noch erreicht werden könnten. Das galt vor der Coronakrise als unmöglich.

Nachhaltig aus Krise kommen

Der CO2-Ausstoss wäre dann von 1990 an gerechnet um 20 Prozent gesunken. «Die Frage ist anschliessend, wie es weitergeht: Die Minus 20 Prozent müssen grösser werden, der Absenkungspfad muss weitergehen», so Thalmann. Deshalb sei es nun wichtig, dass man nicht zu den alten Gewohnheiten zurückkehre, sondern nachhaltiger aus der Krise herauskomme.

Auch für die Schweiz gilt: Die Krise als Chance verstehen, um den CO2-Ausstoss viel stärker zu senken als in den letzten Jahren. Andernfalls werden die Klimaziele 2030 des Pariser Abkommens nicht erfüllt.

Es darf nicht sein, dass man der Swiss nun einen Blankoscheck ausstellt.
Autor: Philippe Thalmann Umweltkökonom

Das klingt einfacher als es ist, Beispiel Airlines: Die Swiss und Edelweiss bekommen vom Bund fast 1.3 Milliarden Darlehen ohne Umweltauflagen. «Die Arbeitsplätze müssen für eine gewisse Zeit gesichert werden, aber es darf nicht sein, dass man der Swiss nun einen Blankoscheck ausstellt», so Thalmann.

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Legende: Umweltökonom Thalmann sieht die Darlehen an Swiss und Edelweiss ohne Umweltauflagen kritisch. Keystone

Statt viel Geld zu leihen, hätte der Bundesrat die Zahl der erlaubten Flüge von den Schweizer Flughäfen reduzieren sollen, sagt Thalmann. Weniger Flüge, beispielsweise zwischen Zürich und London, bedeuten höhere Ticketpreise. Das hilft den Fluggesellschaften und der Minderverkehr dem Klima.

Grosse Pfadabhängigkeit

Es gelte nun, so Thalmann, sich genau zu überlegen, welche Branchen und wie stark unterstützt würden. «Man muss aufpassen, dass man in der aktuellen Dringlichkeit nichts in die Wege leitet, was später nicht mehr rückgängig gemacht werden kann.» Die Pfadabhängigkeit sei enorm, besonders bei der Energie- und Klimathematik. «Baut man nun etwa wieder Ölheizungen ein, verbrennt man 30 Jahre lang Heizöl.»

Stattdessen sollten in der Schweiz die erneuerbaren Energien und die energetische Sanierung von Häusern stärker gefördert werden. Beides sei bisher zu langsam vonstattengegangen.

Zu grosse Anforderungen an Bundesrat

Wenn aber umweltfreundliche Branchen bevorzugt gestützt werden, könnten Arbeitsplätze an anderen Orten verloren gehen, so eine Kritik. Thalmann entgegnet, es sei sogar das Gegenteil der Fall: «Vieles, was man machen muss, geschieht in der Schweiz. Gebäudesanierungen etwa kann man nicht von China aus machen.» Die Massnahmen würden allesamt Arbeitsplätze schaffen und nicht vernichten.

Arbeitskräfte aus leidenden Branchen könnten für diese neuen Stellen umgeschult werde, glaubt Thalmann. Ob dies für alle Fälle gilt, ist allerdings offen. Eine grosse Gefahr sieht ETH-Ökonom Thalmann darin, dass der Bundesrat momentan zu viel in zu kurzer Zeit entscheiden müsse. «Wenn die Feuerwehr ein Haus löscht, kann man nicht gleichzeitig von ihr erwarten, dass sie auch das neue Haus entwirft.»

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Legende: Thalmann findet, dass der Bundesrat momentan zu viel in zu kurzer Zeit machen müsse. Keystone

Es brauche sozusagen einen zweiten Bundesrat, um sich die Zukunft vorstellen zu können und welcher den Bundesrat beraten würde. «Dass der Bundesrat nicht Geld in die alten Schläuche fliessen lässt, sondern neue und nachhaltige Aktivitäten unterstützt.»

Die Wissenschaftler hätten Umweltministerin Simonetta Sommaruga ihre Hilfe angeboten, aber: «Sie ist momentan mit anderen dringenden Geschäften beschäftigt.» Thalmann hofft, dass sich dies nach der Coronakrise ändere, denn die Klimakrise verschwindet nicht.

Info 3 Abend, 10.5.2020, 17:00 Uhr

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