In der Schweiz wurde in den vergangenen Tagen mehrmals demonstriert. Oft kamen mehr als 300 Personen, die sich gemäss geltender Verordnung höchstens versammeln dürfen. An der Demonstration gegen Rassismus am Samstag in Zürich etwa nahmen weit über 10'000 Personen teil. An einigen Orten schritt die Polizei ein – an anderen nicht. Der Aargauer Regierungsrat Urs Hofmann hielt die 300er-Regel von Anfang an nicht für praktikabel.
SRF News: Der Bundesrat schiebt die Verantwortung für die unerlaubten Demonstrationen den Kantonen zu. Ist das richtig?
Urs Hofmann: Ja, letztlich ist das systemimmanent. Der Bundesrat hat Vorschriften erlassen und die Umsetzung ist Sache der Kantone. Die Frage ist, ob die Regelung auch praktikabel ist oder ob sie nicht zu Unzulänglichkeiten führt, weil sie schon von Anfang an nicht richtig konzipiert wurde.
Sie halten diese Regelung also für nicht praktikabel?
Nein. Wir haben seitens der kantonalen Polizeidirektorinnen und -direktoren bereits im Vorfeld darauf hingewiesen, dass eine Grenze von 300 Teilnehmern in der Praxis wahrscheinlich nicht umgesetzt werden kann. Bei kleinen Demonstrationen wäre das möglich, wo man weiss, es kommen nicht mehr als 100 oder 200 Leute, vielleicht einmal 300 oder 320.
Es ist das Ziel der Organisatoren vom Demonstrationen, dass möglichst viele erscheinen.
Bei grösseren Demonstrationen ist es nicht berechenbar, wie viele Leute kommen. Und es ist ja auch das Ziel der Organisatorinnen und Organisatoren vom Demonstrationen, dass möglichst viele Leute erscheinen. Dann steht die Polizei vor der schwierigen Aufgabe, zu entscheiden, ob sie eingreift.
Heisst das, Sie machen sich für eine höhere Obergrenze stark?
Das muss man abwägen. Man kann sie bei den 300 belassen. Dann wird es so weitergehen wie bisher und die Polizei ist in einer unlösbaren Situation. Wenn es sehr viele Leute sind, kann sie praktisch nicht einschreiten. Oder man sagt, man bewilligt auch grössere Demonstrationen. Man hat dann aber auch die Möglichkeit, gewisse Auflagen zu erlassen. Ich würde dann an alle Teilnehmer einer solchen Kundgebung appellieren, dass sie Masken tragen müssen.
Wir wissen alle, dass die Masken ein mögliches Mittel sind.
So wäre der Nutzen für den Kampf gegen das Coronavirus grösser, als wenn man am Schluss einfach alle gewähren lassen muss, und dann keine Masken getragen werden, weil es auch keine Bewilligung und keine Auflagen gibt.
Wie soll man es durchsetzen, dass alle Masken tragen?
Mit dem Appell an die Eigenverantwortung der Leute und auch damit, dass man die entsprechenden Masken vor Ort zur Verfügung stellt. Sei es, indem die Organisatoren dazu verpflichtet werden, sei es, dass die Stadt dafür sorgt, dass vor Ort solche Masken abgegeben werden können. Dann wäre es wirklich unverständlich, wenn jemand diese Maske nicht anzieht. Wir wissen alle, dass die Masken ein mögliches Mittel sind. Abstand halten wäre ein anderes, was nicht immer so einfach möglich ist bei einer Demonstration.
Wie würden Sie die Lockerungen bei den Demonstrationen ausgestalten?
Ich persönlich würde sagen: keine Obergrenze, aber mit Bewilligungspflicht und entsprechendem Schutzkonzept. Ich habe auf die Maskenpflicht hingewiesen. Denkbar wäre auch, dass Demonstrationen in Segmente zu 300 Personen unterteilt würden. Denn so wie es jetzt läuft, ist es doppelt unbefriedigend. Es bringt aus epidemiologische Sicht nichts und die Polizei sollte handeln, kann aber nicht. Bei einer höheren Obergrenze stellt sich das Problem genau gleich, ob es nun 10'000 oder 15'000 sind. Entscheidend ist, dass sich die Leute vernünftig verhalten. Das heisst für mich: Maske tragen.
Das Gespräch führte Hans Ineichen.